Spy (Staffel 1)

Geheimagent mit Sorgerecht

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Das Genrekino stellt ja immer und immer wieder unter Beweis, dass die vermeintlich bekannten Geschichten und Versatzstücke sich bestens dazu eignen, ganz andere Geschichten zu erzählen. Für Krimi und Horrorfilm ist das längst etabliert, die Welt der Geheimagenten wird in letzter Zeit wieder Vehikel für Geschichten aller Art. Gerade erst macht Melissa McCarthy in Spy als ungewöhnliche CIA-Agentin komödiantische Furore, da kommt hierzulande die erste (von zwei) Staffeln einer britischen Comedy-Serie in den Handel, die den gleichen Titel trägt – und ebenso einen eher ungewöhnlich gewöhnlichen Protagonisten hat.

Tim (Darren Boyd) ist die britische Version eines Slackers: Aus seinem Studienabschluss in Informatik und seiner eigentlich überdurchschnittlichen Intelligenz macht er nicht viel mehr als einen faden Job als Verkäufer in einem Elektronikgeschäft. Seine Frau hat ihn verlassen für einen Schulrektor (der aber offenbar ganz eigene Selbstwertprobleme hat), und seitdem streiten sie sich dauerhaft um das Sorgerecht für ihren blasiert-hochgebildeten, zehnjährigen Marcus, der recht genervt auf seinen erfolglosen Vater herabblickt.

Um mehr aus seinem Leben zu machen, kündigt Tim seinen Job und bewirbt sich auf eine Stelle in der öffentlichen Datenverarbeitung – landet aber so bei einem Bewerbungstest des britischen Geheimdienstes MI5, wo er aufgrund seiner herausragenden Leistungen sofort als Agent zur Ausbildung eingestellt wird – nur darf er seinem Sohn darüber nichts erzählen, denn das ist alles streng geheim.

Die knackigen sechs Folgen dieser ersten Staffel von Spy drehen sich nur am Rande um diese Fragen von Geheimhaltung; allerdings hindern sie Tim immer wieder daran, auf den um ihn herum grassierenden Wahnsinn zu reagieren. Zwischendrin erlebt er leicht irrsinnige Büromomente, vor allem getrieben von seinem egomanischen Vorgesetzten (Robert Lindsay). Und natürlich verliebt Tim sich in seine Kollegin Caitlin (Rebekah Staton).

Mit Boyd steht und fällt die Serie natürlich, und der Alumnus von Smack the Pony hält die meiste Zeit die Schwebe zwischen dem naiv-freundlichen Wesen Tims und seinem Erstaunen über die immer neuen Eskapaden seiner Mitmenschen sehr schön; der Humor ist britisch-schwarz und hält vieles in der Schwebe. Das liegt auch an der sehr elliptischen Erzählweise, in der viel ausgespart wird; aber das tut der Serie nur gut.

Um Realismus geht es in Spy ebenso wenig wie um eine große, über die Serie weit hinausgehende Erzählung. Stattdessen genügt sich Simeon Gouldens Fernsehprojekt darin, ganz im jeweiligen Moment präsent zu sein. Durchtränkt von Albernheit und dem Charme eines kleinen Projektes ist das eine nette britische Sitcom, deren Ambitionen niemals über ihre Möglichkeiten hinausreichen – und genau damit die Bescheidenheit ihrer Hauptfigur auch außen zeigt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/spy-staffel-1