Sleepy Hollow (Staffel 1)

Zeitreise mit dem "headless horseman"

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die 2013 gestartete Fox-Serie Sleepy Hollow basiert – wie schon das gleichnamige Tim-Burton-Werk aus dem Jahre 1999 sowie etliche weitere Filme – auf Washington Irvings Kurzgeschichte Die Sage von der schläfrigen Schlucht (The Legend of Sleepy Hollow), die 1820 als Teil einer Textsammlung erschien. Während Burton das Treiben des kopflosen Reiters als schräges Horrormärchen im ausgehenden 18. Jahrhundert in Szene setzte, verlagern die Serienmacher das Geschehen durch einen kühnen "time travel"-Kniff in die Jetztzeit – und reichern dabei Dark-Fantasy- und Grusel-Motive mit moderner Action und schöner Dialogkomik an.

Der Pilotfilm zur Serie beginnt im Jahre 1781, auf dem Schlachtfeld des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Ichabod Crane (Tom Mison), der zunächst auf der Seite der Briten kämpfte, steht im Dienst des Gründervaters der Vereinigten Staaten, George Washington. In der Konfrontation mit einem von den britischen Truppen rekrutierten, hessischen Söldner wird der Protagonist tödlich verletzt; es gelingt ihm allerdings noch, seinen Widersacher zu enthaupten. Rund 230 Jahre später erwacht Ichabod in der Gegenwart – in einer Höhle nahe der Stadt Sleepy Hollow. Da er durch einen Fluch mit dem hessischen, nun kopflosen Reiter verbunden ist, wurde auch dieser in die heutige Zeit katapultiert.

Alsbald werden Ichabod und die Polizistin Abbie Mills (Nicole Beharie) zu einem Team: Die junge, afroamerikanische Frau verliert bei einem Angriff des kopflosen Reiters ihren Mentor August Corbin (Clancy Brown) – und ist deshalb die Einzige, die bereit ist, dem Zeitreisenden Glauben zu schenken. Beim Versuch, den rabiaten Untoten auf seinem rotäugigen Schimmel zu stoppen, müssen Ichabod und Abbie erkennen, dass ihr Gegner einer der vier apokalyptischen Reiter ist – und dass ihnen als sogenannte "Zeugen" die Aufgabe zukommt, den Untergang der Welt zu verhindern. Unterstützung erhalten sie dabei unter anderem von Ichabods Ehefrau Katrina (Katia Winter) – einer Hexe, die im Purgatorium gefangen ist.

Die Handlung von Sleepy Hollow verfügt ohne Frage über eine gewisse Nonsens-Anmutung. Im Laufe der ersten Staffel – bis hin zum fies-überraschenden "final twist" – zeigt sich jedoch, dass die Serie sorgsam konstruiert wurde. Neben dem beachtlichen erzählerischen und inszenatorischen Tempo liegt die größte Stärke der TV-Produktion in der Zeichnung des ungewöhnlichen "Zeugen"-Duos – und dem gelungenen Zusammenspiel zwischen Tom Mison und Nicole Beharie. In Filmen und Fernsehserien basiert die Verbindung zwischen einer attraktiven Frau und einem ebenso attraktiven Mann äußerst selten "nur" auf freundschaftlichen Gefühlen; meist trägt diese Konstellation unweigerlich romantische Früchte – völlig unabhängig davon, ob die beiden Figuren noch anderweitig gebunden sind oder nicht. Ichabod und Abbie entwickeln hingegen ein erfrischendes Buddy-Verhältnis – etwa wenn sie ihm die Faszination eines Baseballspiels zu erklären versucht. Bereits in der ersten Episode von Staffel 1 wird durch Abbies Backstory, die in die Kindheit der Jungpolizistin führt, eine enge Verbundenheit mit Ichabod hergestellt. Nach und nach enthüllt sich dann, wie die Schicksale der zwei "Zeugen" miteinander verknüpft sind – wobei in der Schilderung auf Pathos stets Humor folgt.

Beide Hauptfiguren sind mit liebenswürdigen Eigenschaften ausgestattet und komplex angelegt. So muss sich Abbie beispielsweise mit ihrer Schwester Jenny (Lyndie Greenwood) auseinandersetzen, die als psychisch krank gilt; zwischen den Frauen kam es vor Jahren zum Zerwürfnis. Ichabod hat sich indes mit der Moderne und all ihren (vermeintlichen) Errungenschaften zu arrangieren – woraus die Sleepy Hollow-Schöpfer reichlich Witz zu gewinnen wissen. Der "Leftenant" (wie Abbie von Ichabod zumeist genannt wird) konfrontiert den Zeitreisenden mit neuester Technik sowie mit Energydrinks und Emoticons. Zu gehöriger Irritation führen auch überteuerte Quarkbällchen – da Ichabod sich wundert, dass die Menschen sich angesichts einer Backwaren-Steuer von zehn Prozent nicht empört auf den Straßen zusammenrotten! Rückblenden in die Vergangenheit der Figur warten unter anderem mit einem amüsanten "rewriting" der US-amerikanischen Geschichte auf.

In einigen Episoden folgt Sleepy Hollow dem "monster of the week"-Schema. Als Hotspot des Kampfes zwischen Gut und Böse wird die titelgebende Kleinstadt etwa von einer garstigen Hexe oder einem Traumdämon bedroht. Überdies wird eine Seuche aus der Vergangenheit in die heutige Zeit gebracht; und auch eine anspielungsreiche "haunted house"-Folge ist Teil der ersten Staffel. Diese Ereignisse werden oft durchaus geschickt mit dem "großen Ganzen" verquickt. Die Stränge der Nebenfiguren – etwa von Abbies Vorgesetztem Frank Irving (Orlando Jones), von ihrem Kollegen Andy Brooks (John Cho) oder dem "Sündenesser" Henry Parish (John Noble) – fügen sich ebenfalls gut in den " main plot" ein. In der visuellen Gestaltung der Geschehnisse werden schwarzromantische Bildwelten präsentiert, die im Staffelfinale ihren Originalitäts-Höhepunkt erreichen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/sleepy-hollow-season-1