Don Giovanni (Blu-ray)

Opern Open Air

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dieses als "Oper aller Opern" geradezu glorifizierte Werk nach dem Libretto von Lorenzo da Ponte und der Komposition von Wolfgang Amadeus Mozart ist seit seiner Uraufführung im Oktober 1787 in Prag ein stets mit unterschiedlichen Schwerpunkten neu inszenierter Stoff von ungebrochener Popularität. Die bereits ihrerseits geradezu klassische Opernverfilmung Don Giovanni von Joseph Losey von 1979 mit Ruggero Raimondi als Titelheld, José van Dam als Leporello, Edda Moser als Donna Anna und Kiri Te Kanawa als Donna Elvira, die nun bei Concorde auf Blu-ray erscheint, weist neben zahlreichen formalen wie inhaltlichen Qualitäten auch einen angenehmen technischen Vorzug auf: Die deutschen Untertitel sind wahlweise zuschalt- und ausblendbar, was die Sichtung ohne unerwünschte Störung der Schriftzüge einerseits ermöglicht und andererseits die günstige Gelegenheit bietet, die Gesangspassagen einmal komplett übersetzt zu verfolgen.
Bekannt als unermüdlicher, unverbesserlicher und mitunter auch unverschämter Liebhaber schöner Weiblichkeiten in vielerlei Hinsicht hat sich die Figur dieses Frauenfanatikers unter dem vollständigen Titel der Oper Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni / Il dissoluto punito ossia il Don Giovanni in zwei Akten weltweit und über die Jahrhunderte hinweg einen berühmten Namen erworben. Als Synonym für Verführer – italienisch Don Giovanni, spanisch Don Juan – und beliebter Begriff für den so bezeichneten Archetypen des Weiberhelden, Bel-Ami oder Schürzenjägers ist dieser extreme Charakter längst zu einem signifikanten Schlagwort avanciert, wobei dieses Talent – Segen und Fluch zugleich – lediglich eine Facette der Opernfiktion abbildet. Die komplexe Geschichte um das anfängliche Duell, das später als Mord deklariert wird, und auch die ambivalente Beziehung zwischen Don Giovanni und seinem Diener Leporello haben nicht nur einige Philosophen ausführlich beschäftigt.

Ereignen sich die meisten Opernaufführungen doch in einem sehr begrenzten geschlossenen Raum oder weisen zumindest zuvorderst auf Gesang und Arie konzentriert eine gewisse Statik auf, so liegt der Reiz einer filmischen Adaption sicherlich vorrangig in ihren differenzierten Ausdrucksmöglichkeiten, die jedoch per se noch nicht zwingend ein Qualitätsmerkmal darstellen. In Joseph Loseys Don Giovanni allerdings markieren die atmosphärisch ansprechend gestalteten Drehorte in Venedig mit ihren idyllisch-ländlichen Außenaufnahmen, Wasserszenarien und ihrem architektonischen Ambiente eine passende bis prächtige Kulisse des Raumes und der Weite, welche die Entfaltung der Charaktere, Verhältnisse und Entwicklungen förderlich betont. Auch im Libretto finden sich einige Ortsangaben wie "Garten" oder "Straße", die auf ein Außen verweisen und auf der Bühne gewöhnlich allenfalls angedeutet oder nachgeahmt Berücksichtigung erfahren.

Nicht nur aufgrund der unverhohlenen Stilbrüche der Ausstattung – andernorts wiederum als prachtvoll gepriesen – geriet Don Giovanni seinerzeit kräftig ins Kreuzfeuer der Kritik, und zwar jeglicher Coleur. Das Aufbegehren der Arroganz hinsichtlich des vermeintlichen Tabus, eine, und dann noch diese Oper in den Sumpf der filmischen Sphäre jenseits der puristischen Abfilmung einer Live-Inszenierung hinunterzureißen, zelebrierte das Pathos des Ausschlussrechts auf diese Kunstform. Unbestritten ist eine Opernaufführung als Erlebnis und Event nicht filmisch zu ersetzen, doch hier geht es um Variation, Erweiterung und Perspektivzuwachs über eine klassische Präsentation hinaus. Joseph Losey, der innerhalb seines Werkes bei Weitem nicht nur mit dem kuriosen Geheimtipp Der Diener / The Servant von 1963 brilliert und der es wagt, Don Giovanni und Leporello über den nackten Leib einer hingebetteten Frau hinweg das zentrale Thema des Films lapidar zu verbalisieren, zeigt sich mit Don Giovanni als gleichermaßen mutiger wie sorgfältiger Regisseur. Bei allem Beiwerk lenkt er den Fokus auf das, was vorrangig zählt: die wundervollen Stimmen und Vorträge, die absolut geeignet sind, auch einen der Oper Unkundigen zur Begeisterung für diese Gattung zu verführen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/don-giovanni-blu-ray