5 unter Verdacht (Stadt im Nebel)

Zu Schatten geworden

Eine Filmkritik von Rajko Burchardt

Nebel liegt über der dänischen Hafenstadt Belgesund. Seit sieben Tagen schon habe man dort die Laternen nicht mehr gelöscht, informiert eine besorgniserregte Erzählerstimme zu Beginn des Films. "Tag und Nacht unterscheiden sich kaum, Menschen und Tiere sind zu Schatten geworden". Sie wüssten nicht, was ihnen begegnen werde, sie seien wie Blinde. Und für den Kohlen schleppenden Mann, der plötzlich ins Anfangsbild tritt, käme bereits jede Hilfe zu spät. "Die Mühe hätte er sich sparen können", heißt es hoffnungslos. Der Mann werde sterben.
Kurze Zeit später findet man im örtlichen Gymnasium seine Leiche. Ein Unbekannter durchtrennte die Kehle von Schuldiener Palsberg (Josef Sieber), verdächtigt sind zunächst fünf außerordentlich sleazige Primaner aus dem näheren Umfeld des Mannes. Der nach Belgesund gereiste Kriminalinspektor Thomsen (Hans Nielsen) nimmt die Ermittlungen auf, stößt aber rasch an seine Grenzen. Der Fall erscheine ihm so undurchsichtig wie der Nebel in dieser Stadt, sagt er. Was insbesondere an den vielen Geheimnissen liegen mag, die jede Figur hier demonstrativ vor sich her trägt.

Am Schluss wird Thomsen den Täter in allerbester Hercule-Poirot-Art vor seinen zusammengetrommelten Mordverdächtigen überführen, aber streng genommen spielt das nur eine untergeordnete Rolle. 5 unter Verdacht ist zwar ein Whodunit nach klassischem Muster, viel interessanter als seine Auflösung jedoch sind die Wege – oder besser: die Irritationslinien – des vor allem um moralische statt mörderische Vergehen und auch Fragen nach kollektiver Schuld kreisenden Plots.

Wer zum Beispiel sind eigentlich die sich gegenseitig anschwärzenden Figuren des Films, die ihr Innerstes allesamt so akribisch im Verborgenen halten? Handelt es sich bei ihnen um Exildeutsche oder stellen sie doch bloß Deutsch sprechende Dänen dar? Woher rührt ihre Unsicherheit und Skepsis, die alles wie einen Nebel verhängt? Was soll deren Geheimniskrämerei um Korruption, Bestechung, Denunziation – oder unsittliche Lehrer-Schüler-Verhältnisse, derer es hier reichlich gibt?

Spannend bleibt daher ganz besonders, was der 1950 gedrehte Krimi mit seinem sinistren Menschenbild erzählt, und ob man in ihm überhaupt etwas anderes sehen kann als einen Film über die deutsche Nachkriegsordnung. Kurt Hoffmann nimmt die Schieflagen der Figuren jedenfalls wesentlich genauer ins Visier als die Puzzleteile der Handlung. Eine grandios-psychedelisch gefilmte Verfolgungsjagd am Ende zeigt außerdem eindrücklich, dass der oftmals zum bloßen Unterhaltungsfilmer degradierte Erfolgsregisseur nicht nur zweckdienlich, sondern wunderbar befreit inszenieren konnte.

Der von Artur Brauner produzierte 5 unter Verdacht ist auch unter den ebenso programmatischen Titeln Mord in Belgesund und Stadt im Nebel erschienen. Seine erstmalige und kinohistorisch wertvolle Heimkinoveröffentlichung präsentiert den Film in hervorragender Bild- wie Tonqualität auf DVD. Das Bonusmaterial beschränkt sich auf einen Nachdruck der zeitgenössischen Illustrierten Film-Bühne, wichtig aber ist ohnehin nur, dass der Film nun verfügbar gemacht und zur Entdeckung freigegeben wurde.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/5-unter-verdacht-stadt-im-nebel