Stromberg – 50 Jahre Capitol (Staffel 1- 5)

Das tragikomische Büro-Ekel

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

1642 Minuten mit einem Albtraum-Chef. Das klingt nicht unbedingt nach einem spaßigen Erlebnis – ist es aber, wenn es sich bei besagtem Chef um Bernd Stromberg handelt. Der von Christoph Maria Herbst verkörperte Leiter der Abteilung "Schadensregulierung M-Z" in der "Capitol Versicherung AG" war 2004 erstmals auf dem Fernsehbildschirm zu sehen – und lud in insgesamt fünf Staffeln und einem Kinofilm zum Lachen, vor allem jedoch zum Fremdschämen ein.

Der Drehbuchautor und Produzent Ralf Husmann ließ sich bei der Konzipierung der Serie und des titelgebenden Protagonisten von der Sitcom The Office inspirieren, die zwischen 2001 und 2003 in zwei Staffeln (sowie zwei Weihnachtsspecials) auf BBC lief und auch als Vorbild für Formate in Frankreich, den Vereinigten Staaten, Kanada, Chile und Israel diente.

Zu den Besonderheiten von The Office gehörte der Mockumentary-Stil: Ein Fernsehteam filmte im Büro der Papier-Großhandelsfirma "Wernham Hogg" in Slough – und fing dabei hochgradig absurde Momente ein. Das lag in erster Linie am Chef des Büros (dargestellt von Co-Autor Ricky Gervais), der sich für einen großartigen Menschen sowie einen kompetenten, angenehmen und witzigen Vorgesetzten hielt – mit dieser Selbsteinschätzung allerdings rettungslos danebenlag. Diese Diskrepanz zwischen Eigen- und Außenwahrnehmung wird von Christoph Maria Herbst in Stromberg nicht minder unterhaltsam (und schmerzhaft) ausgespielt.

Bernd Stromberg – Mitte 40, mit Halbglatze und ohne Feingefühl – ist ein Protagonist, der den Zuschauer mit politisch wenig korrekten Sprüchen erfreut (beziehungsweise hin und wieder auch erschreckt): ein Meister der abstrusen Metaphern und Vergleiche, der gern zugleich Autoritätsperson, Kumpel und "Papa" für seine Angestellten wäre, letztlich aber doch meist als jämmerliche Gestalt dasteht. Im Laufe der Serie durchlebt er diverse Karriereaufstiege und -abstiege, landet beispielsweise in der vierten Staffel im kleinen "Capitol"-Außendienstbüro in der Provinz, um sich mühsam (und mithilfe von fiesen Intrigen) zurückzuarbeiten.

Zur wunderbar unsympathischen Hauptfigur kommt eine Riege von überzeichneten, aber äußerst gelungen interpretierten Nebenfiguren – etwa das Gegensatzpaar Ulf Steinke und Tanja Seifert (Oliver Wnuk und Diana Staehly), die herzliche Erika Burstedt (Martina Eitner-Acheampong) – und, nicht zuletzt, der wunderliche Berthold "Ernie" Heisterkamp (Bjarne Mädel), der immer wieder zum Mobbingopfer seiner Kollegen (und seines Chefs!) wird und sich rasch als Szenendieb der Serie erweist.

Der Mix aus Komik und Tragik im Doku-Soap-Gewand avancierte in Deutschland zum Kritikerliebling und Achtungserfolg; unter anderem wurde die Serie mit dem Adolf-Grimme-Preis, dem Deutschen Comedypreis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Wiewohl sie nie ein großer Quotenbringer war, hatte sie eine treue Fangemeinde, die schließlich auch den Kinoausflug der "Capitol"-Truppe per Crowdfunding mitfinanzierte. Darin verlassen die Figuren den Büro-Schauplatz, um sich in ein Landhotel zur Betriebsjubiläumsfeier zu begeben. Logisch, dass echte Stromberg-Fans sich das nicht entgehen ließen: Rund 1,4 Mio. Besucher strömten in die Kinos und verdeutlichten, dass das Vertrauen der Schwarminvestoren gerechtfertigt war.

Die DVD-Box Stromberg – 50 Jahre Capitol-Versicherung versammelt nun in der Tat das gesammelte Werk des "besten Chefs der Welt" auf insgesamt 11 Scheiben, wobei das Bonusmaterial allein schon 334 Minuten ausmacht. Das geht dann bisweilen sehr ins Kleinteilige, doch wahre Fans von Stromberg dürfte das kaum stören. Die schließen sich am besten ein ganzes Wochenende lang ein und üben sich in der Modedisziplin "Binge watching" – oder (ein Tipp für die ganz Mutigen) verehren dem eigenen Chef das opulente Set. Aber letzteres dann bitte auf eigene Gefahr.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/stromberg-50-jahre-capitol-staffel-1-5-der-film