Penny Dreadful (TV-Serie, 2014)

Ein Grand Guignol der Schauerliteratur

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Es gibt viele gruselige Szenen in Penny Dreadful, künstliche Menschen, die in zwei Teile zerrissen werden und Vampirfrauen, die im halben Dutzend über ihre menschlichen Jäger herfallen, aber dem etwas beleseneren Publikum dürfte in dem Moment ein tiefempfundener Schauer über den Rücken laufen, als Viktor Frankenstein – Schöpfer des nach ihm benannten Monsters – auf einmal Shelley zitiert.

Denn da dreht sich die Illusion von innen nach außen, war es doch Mary, Percy Bysshe Shelleys Ehefrau, die Frankenstein oder Der moderne Prometheus schreibt, einen jener Quelltexte des "Gothic Horror", den Penny Dreadful so detailreich ins Bild setzt. Eine seltsame Welt ist das, dieses London: Frankenstein trifft da auf Vampire (und auf Professor Van Helsing), Dorian Gray geht ins Grand Guignol, man trifft sich bei spiritistischen Sitzungen oder um die Hieroglyphen auf der Haut eines Untoten zu entziffern. Und draußen geht die Polizei Vermutungen nach, dass Jack the Ripper sein blutiges Handwerk wieder aufgenommen haben könnte.

"Penny Dreadfuls" – der Begriff taucht in der Serie auch irgendwann selbst auf – waren im 19. Jahrhundert billig gedruckte und verkaufte Schauergeschichten, gewissermaßen die "Pulp Fiction" des viktorianischen Englands. Die Werke der klassischen Horrorliteratur, die die Serie referenziert, zählten wohl selbst nicht zu den "Penny Dreadfuls" (der mörderische Barbier Sweeney Todd hatte freilich hier seinen Ursprung). Aber die vom Sender Showtime produzierte Serie will sich da ihrer selbst gar nicht so sicher sein: Hier geht es gelegentlich sehr blutig zu, auch unbeschadete, nackte Haut ist reichlich zu sehen, und den Rest der Handlung schmiert der universelle Stoff: Soap.

Mit anderen Worten: Penny Dreadful ist ein rechtes Spektakel, ein London in dunklen Braun- und Blautönen, unter dessen Oberfläche Dekadenz, Vergnügungssucht und Monstren herrschen. Aber das muss ja nicht schlecht sein. Der in seine Heimat zurückgekehrte Entdecker und Afrikareisende Sir Malcolm Murray sucht seine Tochter Mina, die er (nicht zu Unrecht) in den Händen eines Vampirs vermutet. Er rekrutiert zu seiner Unterstützung nicht nur Minas alte Freundin Vanessa Ives, sondern auch noch den amerikanischen Revolverhelden Ethan Chandler und natürlich Viktor Frankenstein.

Eva Greens Ives ist die eigentliche Sensation der Serie, neben ihr müssen Josh Hartnett als Chandler und Timothy Dalten als Murray naja, nicht verblassen, denn Greens Blässe wird hier betont, ausgespielt und gewissermaßen zum Stilmodell erhoben, aber wenigstens in die reichlich vorhandenen Schatten treten. Ives hat übersinnliche Empfindsamkeiten, die sie des Öfteren übermannen und nicht als einzige Figur so einige Leichen im Keller.

Diese Leichen, Untoten und gerade noch Dahinsiechenden werden im Lauf der ersten Serienstaffel langsam ans Licht gebracht, während zugleich die Lebenden fröhliche Reigen tanzen. Im Omnibus-Format, das die Monster und Figuren der Zeit in ein gemeinsames Vehikel setzt, bringt die Soap-Form sie alle auf Tuchfühlung miteinander. Ab Anfang Mai wird in den USA die zweite Staffel ausgestrahlt, und da ist noch einiges, was darin verknotet und entwirrt werden kann. Vorerst hat sich schon einmal Frankensteins Monster als Phantom des Grand Guignol bewährt. Womöglich wird es jetzt Zeit für seine Gefährtin. Wie gesagt: Soap.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/penny-dreadful-season-1