Ruth & Alex - Verliebt in New York

Die Stadtnostalgiker

Eine Filmkritik von Falk Straub

1977 wirbelte Diane Keaton als Annie Hall durch die Metropole am Hudson. Zwei Jahre später saß sie mit Woody Allen auf einer Bank unter der Queensboro Bridge. Ihre Rolle in Richard Loncraines Ruth & Alex – Verliebt in New York wirkt wie eine ältere, etwas geerdetere Version dieser Frauenfiguren. Mit ihr hat sich auch die Stadt verändert. Gemeinsam mit Morgan Freeman begibt sie sich auf Wohnungssuche.
Wenn Ruth (Diane Keaton) und Alex (Morgan Freeman) auf einer Bank unter der Williamsburg Bridge sitzen, ist ihr Blick von Brooklyn ans andere Flussufer nicht weit entfernt von dem in Woody Allens Filmklassiker Manhattan (1979). Heute ragt in der Ferne nur noch ein Turm in die Höhe, wo bei Allen noch zwei standen. Und auch sonst hat sich viel getan. Immer mehr Mütter mit Kinderwagen, die so viel wie ein Auto kosten, und ihre Banker-Ehemänner mit Smartphone am Ohr bevölkern die Nachbarschaft. Eine Bleibe in Brooklyn ist begehrt. Selbst Ruths und Alex' bescheidene vier Wände brächten ein astronomisches Sümmchen. Eigentlich will das alte Paar nicht umziehen. Doch Alex ist nicht mehr gut zu Fuß, und es fehlt ein Aufzug. Als ihr Hund krank wird und die Kosten für eine Operation immer teurer werden, setzen sie ihre Immobilie schließlich doch auf den Markt, um zumindest deren Wert zu testen. Derweil gehen sie selbst auf Wohnungssuche und begegnen allerlei seltsamen Gestalten.

Diane Keaton und Morgan Freeman standen zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera. Regisseur Richard Loncraine konnte nichts Besseres passieren. Ein intensiver Blick und eine kurze Berührung genügen, um eine Vertrautheit und Routine zwischen den Protagonisten zu vermitteln, so als lebten Ruth und Alex tatsächlich schon 40 Jahre miteinander. Einige wiederkehrende Figuren, die den beiden bei Besichtigungsterminen über den Weg laufen, lassen einen schmunzeln. Da ist die ältere Dame, die nicht an einem Kauf, sondern am Lebensstil der Bewohner interessiert ist, um darüber ein Buch zu schreiben. Oder die Mutter mit Kind, die sich eine Wohnung in dieser Preisklasse nicht leisten kann und dennoch in jedem neuen Objekt zuerst einmal probeschläft. Parallel zu all dem Trubel hält ein vermeintlicher Terrorist die Stadt in Atem, über den die Medien pausenlos berichten. Die Immobilienpreise wirbelt er damit gehörig durcheinander.

Ruth & Alex ist eine entspannte Komödie, die skurrile und gestresste Großstädter präzise und gelassen beobachtet. Richard Loncraine hat einen Film über das Älterwerden, über die Angst vor Veränderungen und über das Festhalten am Gewohnten gedreht. Leider verlässt sich der Regisseur zu wenig auf seine Schauspieler und die leise Komik, die ihre Marotten verströmen. Es scheint, als traue er dem Publikum nicht recht zu, die Zusammenhänge selbst zu erkennen. Dass sich die Metropole verändert, für Normalsterbliche immer unerschwinglicher wird, macht der Film in seinen Bildern und Dialogen klar. Und dennoch hilft Loncraine mit einem Kommentar nach, den Morgan Freemans Figur aus dem Off spricht. Auch die Rückblenden, die das Paar als Frischverliebte zeigen, haben mehr zeitgeschichtlich-didaktischen als narrativen Charakter. Doch Claire van der Boom und Korey Jackson, die Ruth und Alex in jungen Jahren verkörpern, halten mit Freeman und Keaton nicht mit. In der Summe wirken all diese Elemente wie kleine Fremdkörper, die den zwar ereignisarmen, aber ansonsten gelungenen Erzählfluss stören.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/ruth-alex-verliebt-in-new-york