No Escape (2015)

Eine Familie in der fremden Ferne auf der Flucht

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Unbenannt bleibt das Land Südostasiens, in dem sich der Action-Film No Escape der Gebrüder Dowdle ereignet. Eine US-amerikanische Familie gerät unvermittelt in die brutal-blutigen Wirren eines politischen Putsches und muss sich auf eigene Faust durchschlagen, um zu überleben, während um sie herum ein tödliches Chaos ausbricht. Überwiegend in Thailand mit der Vereinbarung gedreht, dass der Ort der Inszenierung innerhalb des Films nicht explizit erkennbar ist, konzentriert sich die Handlung der Geschichte ganz auf die rasch einsetzende Flucht der Familie, nachdem die kurze Anfangssequenz die Ermordung des Premierministers des Staates (Vuthichard Photphurin) als Anlass der folgenden Unruhen zeigt.

Nachdem seine bisherige Firma dem Pleitegeier zum Opfer fiel, übernimmt der US-Amerikaner Jack Dwyer (Owen Wilson) für seine neue Arbeitsstelle wohl oder übel gleich einen Posten im fernen Südostasien, wo er sich um die Qualität des Trinkwassers kümmern soll. Seine Frau Annie (Lake Bell) sowie seine beiden heranwachsenden Töchter Lucy (Sterling Jerins) und Beeze (Claire Geare) sind mit von der Partie, als Jack den langen Flug ins Ungewisse unternimmt, und bei allen ungeklärten Fragen und Erwartungen ist die Stimmung unterwegs noch ganz munter. Doch bereits am Flughafen wird die Familie nicht abgeholt und stattdessen freundlicherweise von dem so gutmütigen wie trinkfesten Briten Hammond (Pierce Brosnan) in seinem Taxi mitgenommen, der ebenfalls im Flieger war und schon über einige Erfahrungen in der Region verfügt. Annie ist ihr Unmut über die Auswüchse des familiären Abenteuers schon deutlich anzumerken, als sie im Taxi eines begeisterten Kenny-Rogers-Fans (Sahajak Boonthanakit) durch die desolaten Straßen scheppern, und nachdem im Hotel dann weder Fernsehen noch Internet funktionieren, entlädt sich ihre Anspannung dann auch in enttäuschten, vor den Kindern verborgenen Tränen.

Doch viel Zeit für die kleinen aufwallenden innerfamiliären Rebellionen und Konflikte bleibt den Dwyers nicht, denn als Jack am nächsten Morgen nach wie vor ohne Kontakt zu seiner neuen Firma im nahen Geschäftsviertel eine aktuelle englischsprachige Zeitung besorgen will, gerät er unversehens in eine gewalttätig eskalierende Konfrontation zwischen der Polizei und einer Gruppe von Aufständigen. Rasch begreift der Familienvater, dass nun nur noch eines wichtig ist: so schnell wie möglich die Seinen in Sicherheit zu bringen. Doch noch ahnt er nicht, dass diese in diesem Land gerade für niemanden gegeben ist, und wie gefährlich es ist, als Ausländer erkennbar zu sein ...

Es sind ausführliche, gnadenlose Gewaltdarstellungen, die im Fokus der Flucht der Familie vorherrschen, während die einheimische Bevölkerung weitestgehend marginalisiert wird und allenfalls als anonyme, bedrohliche Menschenmasse fungiert, aus der sich einzelne, kaum näher skizzierte Individuen lösen, um den Dwyers als punktuelle Peiniger oder Retter zu dienen. Die Figur des Briten Hammond tritt im Getümmel um Entkommen ebenfalls wieder in Erscheinung, bleibt aber insgesamt hinter ihrem anfänglichen Potenzial zurück. Das Szenario einer netten US-amerikanischen Familie in größter Not in der Fremde wird hier ohne eine besondere Verbindung zum Ort des Schreckens an diesen gebunden, und die Naivität Jack Dwyers, sich offensichtlich völlig unzureichend auf diesen Auslandsaufenthalt vorbereitet und seine Familie so in diese lebensbedrohliche Situation gebracht zu haben, geflissentlich unterschlagen.

So dominiert pure, nicht zu erläuternde Action No Escape, der unter dem Arbeitstitel 'The Coup' gedreht wurde und die innerfamiliären Dynamiken vor allem in Bezug auf die beiden jungen Mädchen, die einerseits möglichst geschont und andererseits kräftig krisentapfer sein müssen, in Ansätzen einfühlsam herausstellt und seine sich stets erneuernde Spannung meist aus konventionellen Genre-Konstellationen erzeugt. Der Entschluss, die Handlung ausgerechnet inmitten politischer Unruhen in Südostasien zu verorten, lässt sich allein anhand des Films nicht nachvollziehen, zumal die Hintergründe der dortigen Verhältnisse nicht thematisiert werden. Was bleibt, ist ein situativ fesselnd gestalteter Flucht-Film mit schockierenden Schrecken in einer unbenannten Ferne, deren noch milde Defizite von Jack Dwyer anfänglich zynisch mit "Willkommen in der Dritten Welt!" begrüßt werden, woraufhin seine Frau entgegnet, dass es sich hier wohl eher um die "Vierte Welt" handeln müsse. Dass diese Bewohner der so bezeichneten Ersten Welt sich in treuherziger Ignoranz mit ihren Kindern in ein Krisengebiet begeben haben, wo ein gut bezahlter Job winkte, und damit aus ihrer Sicherheit in höchste Lebensgefahr katapultiert wurden, kam beim Publikum in den US-amerikanischen Kinos offenbar ganz gut an, was wohl auch Ausdruck einer aktuellen Haltung ist, die bedrohliche Unruhen gern in einer unbestimmten Ferne verortet.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/no-escape-blu-ray