Freddy / Eddy (2016)

Ich und der Andere

Geschichten um Doppelgänger und unterschiedliche Zwillinge gibt es im Kino zuhauf. Basierend vor allem auf der Schauerromantik eines E.T.A Hoffmann und ausgehend von Filmen wie Hanns Heinz Ewers’ Der Student von Prag durchziehen Filme dieser Thematik die Kino- und Filmgeschichte und sind dennoch nicht totzukriegen, wie derzeit gerade François Ozons Variation Der andere Liebhaber beweist. Nun erhält der neue Film des Franzosen seinerseits beinahe so etwas wie einen Doppelgänger aus Deutschland an die Seite gestellt, der der Konstellation freilich noch einmal eine andere Perspektive abgewinnt – und das ist auch gut so ...

Früher war Freddy (Felix Schäfer) ein erfolgsverwöhnter Bildender Künstler, doch dann kam alles anders: Weil seine Frau ihn mit einem anderen Mann betrog und er diesen und sie angegriffen und schwer verletzt hat, droht ihm eine Gefängnisstrafe, der er nur entgehen kann, wenn er sich schuldig bekennt und in psychiatrische Behandlung begibt. Und das, obwohl er nach wie vor beteuert, diese brutale Tat nicht begangen zu haben, obwohl alle Indizien und auch die Aussagen von Augenzeugen gegen ihn sprechen. Sind also all seine Beteuerungen falsch? Und was hat das Ganze mit Eddy zu tun, jenem imaginären Freund aus Kindertagen, der ihm bis aufs Haar gleicht und der ihn plötzlich wieder heimsucht? Ist Eddy wirklich nur eine eingebildete Ausprägung seines bösen inneren Ichs oder steckt vielleicht doch mehr dahinter? Sein Halbbruder David (Alexander Finkenwirth) jedenfalls scheint mehr zu wissen, als er vorerst zu offenbaren bereit ist. Als eines Tages Paula (Jessica Schwarz) mit ihrer 14-jährigen Tochter Mizi (Greta Bohacek) im Haus gegenüber einzieht, nehmen die Dinge eine dramatische Entwicklung, denn Eddy ist die Zuneigung, die Freddy für die junge Frau und ihre Tochter empfindet, nicht verborgen geblieben. Und er hat das Gefühl, dass ihm ein Teil von Freddys Leben zusteht …

Es ist schon erstaunlich: Tini Tüllmann hat ihren Psychothriller mit gerade mal 75.000 Euro und ohne jede Unterstützung von Filmförderern oder Sendern realisiert und sich dafür neben eigenem Ersparten noch Geld von ihrem Bruder ausgeliehen. Was oft genug als Finanzierung von „Friends, Fools and Family“ tüchtig nach hinten losgeht, hat sich im Falle von Freddy/Eddy zweifelsohne gelohnt. Auf den Hofer Filmtagen wurde das Werk mit dem neu ins Leben gerufenen Heinz-Badewitz-Preis bedacht, es folgten zahlreiche weitere Festivalauftritte und einige weitere Ehrungen. Nun bringt die Filmemacherin ihren raffinierten kleinen Psychothriller im Selbstverleih ins Kino – und man kann nur hoffen, dass sich einige Lichtspieltheater auf das Wagnis einlassen, die Doppelgängergeschichte auf die Leinwand zu bringen.

Mit geringen Mitteln, einem treffsicher eingesetzten Score und atmosphärischen Bildern der Winterlandschaft rund um den Tegernsee ist Freddy/Eddy zwar nicht der ganz große Wurf in Sachen Genrefilm geworden – das liegt vor allem an einigen Holprigkeiten des Drehbuchs und einer nicht immer gelungenen Schauspielführung, die vor allem bei Greta Bohacek zu bemerken ist –, dennoch verdeutlicht der Film, dass eine junge Generation von Filmemacher*innen mittlerweile bereit und willens ist, das Genrekino in Deutschland wiederzubeleben. Es wäre schön, wenn sich diese Entwicklung fortsetzen und endlich auch die verdiente Unterstützung seitens der Förder- und Fernsehanstalten erhalten würde.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/freddy-eddy