Ein Sarg aus Hongkong (Filmjuwelen)

"Eine wahrhaft abenteuerliche Geschichte"

Eine Filmkritik von Martin Beck

1964, das Produktionsjahr von Ein Sarg aus Hongkong, stand im filmischen Zeichen von sowohl James Bond als auch Edgar Wallace. Was lag da näher, als diese Zeichen zu einem James Bondigen Edgar Wallace-Film zusammenzuführen, der ganz viel mit dubiosen Morden und maskierten Schurken zu tun hat, und als Hintergrund dann die "exotische" Kulisse Hongkongs präsentiert. Anscheinend bekam Rapid Film, die hier verantwortliche Produktionsfirma, ganz besonders preiswerte Flüge in diese Stadt, denn neben Ein Sarg in Hongkong entstanden hier auch noch Heißer Hafen Hongkong (1962), Weiße Fracht für Hongkong (1964), Die jungen Tiger von Hongkong (1969) und Das Mädchen von Hongkong (1973).
Eine Stadt als Inbegriff fernöstlicher Schauwerte, selbstverständlich inklusive grobschlächtiger Schurken, sanft lächelnder Charlie-Chan-Verschnitte und noch viel sanfter lächelnder Lotusblüten, die einem wahlweise die Speisekarte hinhalten, Glückskeks-Weisheiten loslassen oder den prallen Dutt auf dem Weg zum Seidenbett aufdröseln. In diese Welt taucht Nelson Ryan (Heinz Drache) ein, ein britischer Privatdetektiv, der zusammen mit seinem Assistenten Bob Tooly (Ralf Wolter) herausfinden möchte, warum in seiner Wohnung eine tote chinesische Frau lag. Es folgen etliche Faustkämpfe, tödliche Fallen, auf einmal nicht mehr tote Tote und eben die ganze Klischeepalette Hongkongs.

Ein Sarg aus Hongkong gehört nicht unbedingt zu den besten Rapid-Film-Produktionen, weil der Plot eigentlich nur aus Versatzstücken besteht, Heinz Drache nicht halb so cool ist wie Joachim Fuchsberger und der Humor von Sidekick Wolter vorzugsweise lahme Kalauer widerkäut. Dem Film fehlt ab und an eine Schippe Schwung und Energie, und im Vergleich zu Die tollen Abenteuer des Monsieur L., der nur ein Jahr später ebenfalls in Hongkong entstand, geht es hier zu wie bei einem betulichen Diavortrag. Ein maskierter Übeltäter, ein tödliches Tier, das während der Nachtruhe angreift, und ein langsam mit Wasser volllaufendes Verließ, das über Lautsprecher das dreckige Lachen des Oberbösewichts erschallen lässt – alles zigmal bewährte Zutaten, die auch hier gerne aus der Asservatenkammer von Wolf Hartwig gezerrt wurden.

Wie gut nur, dass Filme wie Ein Sarg aus Hongkong nicht unbedingt "normalen" Maßstäben genügen müssen, sondern bis zu einem gewissen Grad unter die "schöne Nostalgie"-Decke huschen dürfen. Der jazzige Score schnippt ausgelassen mit den Fingern, diese ganzen Versatzstücke erzeugen durchaus positive, dezidiert deutsche Krimi-Vibes und das Reiseprospekt-Element sorgt für tolle Retro-Momente. Oft sind ja diese exotischen Filme gar nicht an den Schauplätzen gedreht worden (beziehungsweise wurden einfach mit Stockfootage ergänzt), doch hier war man anscheinend tatsächlich vor Ort...und sorgt so für spannende Hintergrundbilder, die über manche lahme Wendung hinweghelfen können.

Inszeniert wurde Ein Sarg aus Hongkong übrigens von Manfred Köhler, der bei Rapid Film vor allem für Drehbücher und Synchronregie zuständig war, und hier sein Debüt als Regisseur gab. Auffällig dabei ist zum einen, dass es ihm anscheinend egal war, dass ein paar der Studiosets unglaublich fake aussehen, und zum anderen – eher peinlich, gerade bei diesem Herren -, dass die deutsche Synchro des öfteren nur bedingt zu den Lippen passt. Es wurde gehobelt, im deutschen Genrekino vergangener Jahrzehnte, und alle Späne zusammen ergaben einen durchwachsenen bis nostalgisch-charmanten Film, der kurioserweise zweimal innerhalb kurzer Zeit seine digitale Exhumierung feiern darf. Ascot Elite brachte bereits eine DVD und Blu-Ray auf den Markt, erschienen in der Reihe "Cinema Treasures", und Ende November folgt dann die DVD von Filmjuwelen – ganz klar die vorzuziehende Fassung, da sie sieben Minuten länger ist und zusätzlich noch den englischen (Original-)Ton bietet.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/ein-sarg-aus-hongkong-filmjuwelen