Shocking Shorts 2014 (DVD)

Die diesjährigen kurzen Kracher

Eine Filmkritik von Marie Anderson

In diesem Jahr waren es rund 200 filmische Kleinode im Kurzfilmformat, die um den Shocking Shorts Award 2014 konkurrierten, der jährlich beim Filmfest München vom Pay-TV-Sender 13th Street Universal verliehen wird und dem Gewinner-Regisseur die Teilnahme am "Universal Filmmasters Program" in Hollywood sponsort. Die ausgewählten Filme, die in diesem Rahmen für den Förderpreis für meist junge Nachwuchsregisseure nominiert werden, werden seit einigen Jahren auf DVD gebannt, und dieses Mal sind es zehn filmische Kurzgeschichten aus den Genres Action, Horror, Krimi, Mystery und Thriller, die als Shocking Shorts 2014 bei Concorde Home Entertainment erscheinen.
Es ist erstaunlich, welch spannende, anspruchsvolle und durchaus humorvolle Vielfalt sich auf dieser DVD versammelt, die sowohl den wagemutigen Geist einer neuen Generation von Filmemachern und Schauspielern beherbergt als auch bekannte Themen, Gesichter und Motive abwechslungsreich arrangiert. Das Moment der überraschenden Wendungen und sorgfältig vorbereiteten, zugespitzten Pointen, das insbesondere den Kurzfilm auszeichnet, wird hier begeistert und begeisternd zelebriert. Also Vorhang auf für zehn kurze Kracher des Absonderlichen bis Absurden, die auf charmante Weise die frech-frischen Ideen junger Filmemacher präsentieren.

Die junge Französin Joline (Pia Slomczyk) wird am Bahnhof von ihrer mondänen Gastgeberin Frau Zhou (Yvonne Yung Hee) abgeholt, bei der sie als Au Pair wohnen und in deren Restaurant "Blue Dragon" sie künftig arbeiten soll. Auch wenn zunächst wenig zu tun ist, gestaltet sich die Atmosphäre in dem Lokal mulmig bis angespannt, zumal sich Frau Zhou zunehmend recht distanzlos und merkwürdig provokant Joline gegenüber zeigt. Dann trifft eines Abends eine spezielle Gesellschaft ein, bei deren Bewirtung die junge Französin eine ganz besondere Rolle spielen soll, und nun nimmt Au Pair des Wuppertalers Marc Schießer einen beklemmend makaberen Verlauf ...

Dunkler Wald hat der Weltenbummler Felix F. Walz seinen gut fünf Minuten langen Film genannt, der wie eine unheilvolle Alptraumsequenz daherkommt. Simone (Sarah Maria Besgen) findet sich unvermittelt und verwirrt in ihrem blutverschmierten Badezimmer wieder. Sie verlässt mit einer Axt bewaffnet das Haus und begibt sich vagen Zeichen folgend in den nahe gelegenen Wald, wo sie schließlich einen Mann (Oliver Franck) entdeckt, der offensichtlich mit seltsamen Umtrieben befasst ist. Was sich nun in der unauslotbaren Dunkelheit des Waldes ereignet, führt für Simone ebenso wie für den Zuschauer zu einer schockierenden Einsicht ...

Der Anästhesist Peter (Christian Furrer) hat Dienst im Operationssaal, und der Mann, der heute vor ihm auf dem Tisch liegt, ist kein Unbekannter für ihn. Im Gegenteil, Peter erinnert sich nur allzu deutlich an ihre äußerst unerquickliche Begegnung, und nun ereignet sich in seinem Kopf, getrieben von düsteren Rachegedanken, ein Ringen um seine beruflichen Pflichten versus den Impuls, jetzt in der Position zu sein, es diesem Scheusal kräftig heimzuzahlen. Vollnarkose stellt den Abschlussfilm von Johannes Furrer an der Fachhochschule Mainz zur Erwerbung des Bachelor of Arts dar und thematisiert nicht nur die krasse Situation im Krankenhaus, sondern auch die brisanten Hintergründe der Vorgeschichte.

An einem verschwiegenen Ort treffen konspirativ sechs Menschen zusammen, die offensichtlich beschlossen haben, für ein beachtliches Vermögen ihr Leben auf ein Spiel zu setzen, bei dem es am Ende nur einen Überlebenden geben wird: Eine Waffe kreist in dieser Runde, jede zweite Kammer enthält eine scharfe Patrone und wer an der Reihe ist, muss schießen. Doch der pfiffige Kurzkrimi Revolve von Andreas Olenberg und Nils Klatt, die beide bereits Erfahrungen innerhalb dieses Genres gesammelt haben, lebt nicht nur von der schwelenden Spannung der Todgeweihten, sondern wartet zudem mit einer überraschenden Wendung auf, die das mörderische Projekt in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt ...

Ein wunderbares, vielschichtiges Schelmenstück, das kräftig Zeitgeist atmet, ist Andreas Pakull mit Anti Cupido gelungen. Da stört ein so seltsames wie energisches Wesen (Thomas Krutmann) ganz empfindlich die Nachtruhe eines Ehepaares (Britta Jacobi, Dieter Rupp), dessen Beziehung offensichtlich dringend einer drastischen Therapie bedarf. Dieser Aufgabe widmet sich der verkleidete Fremde mit seiner bedrohlichen Armbrust nun ausgiebig und unerbittlich, denn dieser "Anti Cupido" weist erstaunliche Insider-Kenntnisse über die Umtriebe der beiden auf und zwingt sie auch gleich, einen liebevolleren Umgang miteinander zu pflegen – eine reizende kleine Groteske mit prägnanter Pointe!

Mit Antlitz des Bösen ist auch eine junge Regisseurin bei den Shocking Shorts 2014 vertreten, und Jasmin Lord konnte für ihren kurzen Psychothriller um die Vergangenheit einer Erfolgsautorin mit Tamara Rohloff ein bekanntes deutsches TV-Gesicht für ihre erste Inszenierung gewinnen, die als schwierige Interview-Partnerin während eines Termins mit dem jungen Journalisten Daniel (Phillipp Danne) in ein hintergründiges Gespräch gerät, das am Ende ein düsteres Geheimnis ans Licht bringt. Jasmin Lord operiert hier mit Rückblicken als Visualisierung vergangener Ereignisse und versteht es geschickt, die Stimmung von harmlos über unbehaglich bis hin zu schrecklicher Gewissheit ansteigen zu lassen.

Vordergründig geht es bei Malik von Gregor Bös um eine absolut schräge, provokative Wette zwischen dem jungen David (Laurenz Lerch), der als Barkeeper gerade eine ruhige Schicht schiebt und mit der hübschen Sophie (Canan Kir) plaudert, und einem Fremden (Hubert Burczek), der plötzlich in der Bar auftaucht. Einen Sportwagen verspricht dieser David, falls er sein Feuerzeug zehn Mal reibungslos hintereinander aufflammen lassen kann. Doch als Davids Geschicklichkeit ihn im Stich lässt, offenbart diese unterhaltsame kleine Geschichte ihren schockierenden Hintergrund, denn nun muss der Verlierer seinen Einsatz abdrücken, was mit einem erheblichen Verlust verbunden ist ...

Als Markus (Alexx Grimm) eines Tages nach Hause kommt, lungert ein kleines trauriges Mädchen (Vivien Ciskowska) vor der Tür herum, und mitleidig nimmt Markus die Kleine mit heim, zum Unverständnis und Unbehagen seiner Frau Annika (Cornelia Werner). Rotkäppchen: Eine Erzählung von Blut und Tod von Florian von Bornstädt und Martin Czaja entwirft mit der Geschichte vom kleinen Mädchen mit der roten Kapuze das schaurige Szenario eines wissenden, wüsten Wesens, das auf unangenehme Weise in das Leben eines Paares eindringt und mit zerstörerischer Macht Geheimnisse und Wunden aufdeckt und -kratzt, die Annika und Markus in eine existenzielle Krise stürzen ...

Die Gesellschaft, die Claudio Franke in seinem Film diePrüfung entwirft, hat die bedrückende Atmosphäre eines repressiven Systems, und als der 12jährige Léon (Valentin Teufel) zum obligatorischen Test einbestellt wird, der für dieses Alter vorgesehen ist, harren seine Eltern (Melanie Herbe, Markus Knüfken) sorgenvoll der Bekanntgabe des Ergebnisses. Dramaturgisch geschickt aufgebaut basiert dieser kühl inszenierte, futuristisch anmutende Film auf der Kurzgeschichte Examination Day von Henry Slesar und wurde bereits im Juni beim TV-Sender Sky gezeigt. diePrüfung stellt das erste eigenständige Werk des jungen Filmemachers Claudio Franke dar, dessen Bruder Adrian die Filmmusik dazu komponierte.

Mit seinem Beitrag Abbitte eines Mörders hat Julian Cohn, Student der Medienwissenschaft und Medienpraxis an der Universität Bayreuth, den diesjährigen Shocking Shorts Award gewonnen. In einer Kirche kommt es zwischen einem jungen Pater (Ludwig Blochberger) und einem mysteriösen Unbekannten (Olaf Krätke) zu einem ungewöhnlichen Beichtgespräch, während dessen sich eine komplexe, haarsträubende und mörderische Geschichte entfaltet, die nicht nur das Gewissen des Geistlichen ganz gehörig strapaziert – ein psychologisch dicht ausgestattetes, kriminalistisches Kleinod, das die Jury überzeugen konnte und Julian Cohn ein Ticket nach Hollywood bescherte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/shocking-shorts-2014-dvd