Interpol ruft Berlin

Mörder gesucht

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Interpol ruft Berlin ist im Grenzgebiet zwischen Film Noir und klassischem Rätselkrimi angesiedelt, wobei die Noir-Komponente hauptsächlich in ein paar wenigen Kameraeinstellungen zum Tragen kommt. Viel wichtiger als Schatten und Pessimismus ist die Frage, wer der Mörder ist.
Denn der Londoner Arzt Dr. Howard Latimer (John Mills) gerät in Schwierigkeiten, nachdem er eingewilligt hat, für seinen Freund Charles Kaufmann die Schauspielerin Frieda Veldon (Lisa Daniely) vom Londoner Flughafen abzuholen. In Latimers Büro befindet sich zufällig der Journalist Geoffrey Windsor (Lionel Jeffries), der bereitwillig anbietet, den Arzt zu fahren. Nachdem Latimer den Auftrag erledigt hat, eilt er zum klassischen Konzert, für das er mit seiner Verlobten Laura James (Noelle Middleton) verabredet ist. Am nächsten Tag findet der Arzt jedoch die Leiche der Schauspielerin in seiner Wohnung und die Indizien deuten darauf hin, dass er der Mörder ist. Um den Nachstellungen des Polizisten Dane (Roland Culver) zu entgehen, taucht Latimer bei seinem Freund Kenneth Palmer (Derek Farr) unter. Er muss den Mörder finden, wenn er seine Unschuld beweisen will.

Nach bewährtem Thrillermuster gerät ein Unschuldiger in Verdacht, eine Straftat begangen zu haben, und muss nun seine persönliche Integrität wiederherstellen. Dabei entpuppt sich die Situation, mit der Dr. Latimer umgehen muss, als verzwicktes Verwirrspiel. Denn die Schauspielerin kam nie in dem Hotel an, in dem sie eigentlich untergebracht sein sollte, Ein Journalist Geoffrey Windsor lässt sich in keiner Zeitung Londons aufspüren und merkwürdige Menschen treten plötzlich in Latimers Nähe auf. Aus der Sicht des Arztes ist die Logik seiner bekannten Welt zugunsten einer absurd-irrationalen Realität aufgehoben worden. Und tatsächlich sind es auch die Haken des Drehbuchs, für das Krimispezialist Francis Durbridge verantwortlich ist, die den Reiz des Films ausmachen. Die Wendungen sind zwar nicht immer vollständig nachvollziehbar, aber sie sorgen stets für beunruhigende Störungen. Die Lust am Rätsel macht einfach Spaß.

Dem stehen filmische Mittel gegenüber, die unaufdringlich ordentlich, aber nur selten eindrucksvoll sind. Zu den besten Szenen gehört es, wenn Latimer in seine eigene, von der Polizei bewachte Wohnung eindringt, nach einem Detail sucht und anschließend durch die Gassen Londons flieht. Dunkle, spärlich, aber prägnant beleuchtete Straßenzüge stehen hier im Dienste einer unübersichtlich-bedrohlichen Atmosphäre. Das unübersichtliche Rätsel spiegelt sich hier in der Gestaltung des Stadtraumes wieder, dessen unheilvolle Dunkelheit oftmals durch Lichter erhellt wird, die wie die Suchscheinwerfer der Polizei wiederum für Gefahr stehen. Für den kurzen Moment inszenatorischer Größe wirkt die Bedrohung in einer existenziellen Unendlichkeitsschleife aufgehoben, bevor in der nächsten Szene das gemütliche Krimigefühl wieder im Vordergrund steht. Insofern ist es ein bisschen schade, dass die Möglichkeiten des Drehbuchs nur ansatzweise genutzt worden sind, aber ordentliche Unterhaltung wird allemal abgeliefert.

Das Schwarzweißbild der DVD macht einen guten Eindruck. Leichtes Filmkorn stört nicht, die Schärfe ist angenehm frisch. Im Verbund mit dem guten Kontrast, der die einzelnen Graustufen passend zur Geltung bringt, kann man hier zufrieden sein. Die 2.0-Mono-Tonspuren klingen sauber, sodass die Dialoge in beiden Fassungen gut verständlich sind. Manchmal hört sich die Musik etwas übersteuert an, aber das hält sich in Grenzen.

Das Bonusmaterial besteht aus einem 8-seitigen Booklet, in dem Dr. Georg Pagitz den Krimiautoren Francis Durbridge vorstellt und ein paar Worte zur Kinofilmproduktion Interpol ruft Berlin parat hat. Ein informativer Text.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/interpol-ruft-berlin