Dealer - Trip in die Hölle

Leichenbeseitigung kostet extra

Eine Filmkritik von Thorsten Hanisch

Ein Film, so glasklar, so durch und durch optimiert auf ein Ziel hinarbeitend, dass man ganz Hollywood das Drehbuch ins Müsli rühren und allein schon für die pure Effizienz dem Regisseur den Schweiß von den Füßen lecken möchte.
Dealer Dan (Dan Bronchinson, auf dessen Erlebnissen die Geschichte angeblich basiert, und der vermutlich deswegen eine überaus glaubwürdige Vorstellung liefert) und sein Kumpel Salem verbringen die meiste Zeit ihres Lebens damit, ihre Pariser Mitmenschen mit illegalen Antriebsmitteln zu versorgen. Dan hat dabei eigentlich nicht mehr so richtig Lust auf den Job und träumt Postkarten-Träume von einem Leben in Australien. Da kommt eine fette Offerte gerade recht: Er soll einen Kokain-Deal abwickeln und leiht sich zu diesem Zweck von Gangsterboss Milo (das personifizierte Eiswasser: Bruno Henry) ein Kilo des weißen Zauberpuders. Doch Dan bekommt Probleme mit Zivilfahndern und deponiert die heiße Ware im Toiletten-Spülkasten im Home Office einer befreundeten Prostituierten, wo es natürlich nicht lange bleibt. Jetzt ist die - pardon my french - Kacke so richtig am Dampfen: Salem gerät unter Verdacht und wird deswegen von Milo umgebracht. Der will nun von Dan für die verlorene Ware (und für die Beseitigung der Leiche) entschädigt werden, aber der verzweifelte Gauner hat leider noch nicht mal mehr einen müden Euro in der Sofaritze. Was tun? Natürlich geht alles schief, was nur schief gehen kann...

Der gerade mal 165.000 Euro teure Dealer wird gerne mit Nicolas Winding Refns Pusher verglichen, ja infamerweise sogar als Quasi-Remake gebrandmarkt und in der Tat sind die Ähnlichkeiten frappierend. Auch Regisseur Jean Luc Herbulot selbst gibt zu, dass er den Film des umstrittenen Dänen vor Produktionsstart seines Debüts ganz genau studiert hat. Dennoch täte es der Sache nicht Genüge, Dealer lediglich als Wiederkäuung anzusehen, denn der Gangsterthriller bringt durchaus eigenes Kapital mit sich. Kapital ist auch gleich das Stichwort, denn Herbulots Kleinkriminellen-Story lässt sich großformatiger gedacht, trotz explizit in Szene gesetztem Unterweltmilieu, auch prima als grell-grobe Turbo-Kapitalismus-Allegorie lesen. In unglaublich verdichteter Form, Dealer benötigt gerade mal 75 Minuten und da sind noch mehrere Minuten Abspann inklusive, pumpt der Film seine Darsteller durch eine flirrende Welt der flüchtigen Eindrücke, in der sich alles absolut nur noch um eins dreht: Geld - was von Herbulot auch süffisant mit einer Highscore-ähnlichen Anzeige unterstrichen wird. Geht der Balken rauf, ist das gut. Geht er runter, ist das gar nicht gut. So gar nicht. Winner und Loser. Wer das Spiel nicht mit wirklich ganzem Einsatz spielt oder womöglich noch auf irgendwelches menschliches Emotionspipapo allzu große Rücksicht nimmt, für den ist bald Schicht im Schacht.

Das ist sicherlich alles andere als neu, aber nun mal selten so unglaublich pointiert in Szene gesetzt worden, weswegen es anderseits aber vielleicht etwas schwerfällt, wirklich mitzufiebern, da alle Figuren soweit wie möglich runtergebrochen werden. Selbst Hauptfigur Dan hat nur eine gute Eigenschaft (die Liebe zur Tochter), zeichnet sich aber ansonsten durch einen Hang zur Rücksichtslosigkeit und Brutalität aus, den wohl hoffentlich die meisten Zuschauer nicht teilen.

Es ist aber gerade die ruppige, ungefilterte Art, gepaart mit der angesprochenen Effizienz, die Dealer so bemerkenswert macht.

Und deswegen ist es auch ausgesprochen schade, dass Herbulot nicht von der Trilogie-Seuche verschont bleibt: Zwei weitere Filme sollen seinem weltweiten, kommerziell extrem einträglichen Festival-Hit folgen. Geht der Balken rauf, ist das gut. Geht er runter, ist das gar nicht gut.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/dealer-trip-in-die-hoelle