Der lange Weg nach Cardiff

Matrosenschicksale

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Basierend auf vier als Einakter angelegten Theaterstücken des Literaturnobel- und vierfachen Pulitzer-Preisträgers Eugene O’Neill (1888-1953) erzählt Der lange Weg nach Cardiff die Geschichte der Matrosen des englischen Frachtschiffes Glencairn, das noch vor dem Kriegseintritt der USA während des Zweiten Weltkriegs Sprengstoff von den Vereinigten Staaten nach Großbritannien transportiert. An Bord befindet sich auch der schwedische Seemann Ole Olson, der von einem John Wayne jenseits der Western-Welten verkörpert wird, den Regisseur John Ford hier in einer für ihn recht untypischen Rolle einsetzt, nachdem sie zuletzt gemeinsam Ringo / Stagecoach (1939) als erfolgreiches Postkutschen-Roadmovie gedreht hatten. In Der lange Weg nach Cardiff hingegen gibt es nicht den einen klassischen Helden, der im Zentrum der Handlung steht, sondern werden vielmehr episodenartig entscheidende Momente des Lebensweges von ein paar Seeleuten inszeniert, die in der Enge dieser ereignisreichen Seereise zusammentreffen.
Bezeichnend für dieses Kriegsdrama, das seinerzeit sechsfach für den Oscar nominiert und für John Ford als Besten Regisseur mit dem Preis des New York Film Critics Circle ausgezeichnet wurde, ist zunächst einmal seine damalige Aktualität, die ihn bei seinem Erscheinen im Oktober 1940 in den USA als einen der ersten Filme markiert, die sich mit der Thematik des Zweiten Weltkriegs beschäftigen. Gregg Toland, der Mann hinter der Kamera, der kurz zuvor bereits mit John Ford Früchte des Zorns / The Grapes of Wrath mit Henry Fonda in der Hauptrolle gefilmt hatte, präsentiert hier in melancholischer bis pessimistischer Manier seine schwelenden Schwarzweißbilder als atmosphärisch dichte Dokumentation des bedrückenden Alltags der Seeleute auf dem Frachter, der bei Zeiten durch den trinkseligen und forciert heiteren Besuch ausgelassener Frauen gemildert wird. Doch es ist die auch von Misstrauen durchsetzte Kameradschaft und Kameraderie unter den Matrosen, die im Fokus der Geschichte steht.

Auf seine ganz spezielle, mitunter beinahe gemächliche Art bewegt sich Der lange Weg nach Cardiff auf die befürchtete Konfrontation mit einem deutschen Flieger vor, bei dessen Angriff mit dem gerade zuvor geläuterten Smitty (Ian Hunter) ausgerechnet jener Matrose getötet wird, der von der Besatzung der Glencairn anfangs als Spion für die Deutschen verdächtigt wurde und plante, bei der Rückkehr nach Hause doch wieder zu seiner Familie zurückzukehren. Auch die Ereignisse nach der Ankunft im Hafen von Cardiff zeigen, dass diese längst nicht für alle die erhoffte Freiheit und das Ende der Gefahr mit sich bringt, denn die Maschinerie des Krieges hat erst begonnen, das Leben von Millionen Menschen und darunter auch der Mannschaft des Schiffes dauerhaft und nachhaltig zu bestimmen, so ließe sich die politisch für die damaligen Verhältnisse durchaus brisante Botschaft John Fords hier formulieren. Davonzukommen, ist im gärenden Moloch des Krieges eher die glückliche Ausnahme.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/der-lange-weg-nach-cardiff