Tokarev

Die Rache der Vergangenheit

Eine Filmkritik von Martin Beck

Nicolas Cage ist seit ein paar Jahren auf einer "direct to video"-Mission, die wohl eng mit Steuerschulden verknüpft ist und nun bereits das zweite 96 Hours-Rip-Off hervorbringt. Bei Stolen, dem ersten Rip-Off, ging es darum, dass Cage als geläuterter Bankräuber seine Tochter vor deren Entführern retten muss, und hier nun geht es darum, dass Cage als geläuterter Mafioso seine Tochter vor deren Entführern retten muss. Was immerhin misslingt, sprich: die Tochter stirbt, und damit einen Selbstjustiz-Thriller ermöglicht, der gegen Ende sogar einen halbwegs unerwarteten Twist aufbringen kann.
Diese inhaltliche Tiefe, die zum Finale auf einmal möglich wird, kommt einerseits sehr gelegen, um aus dem bislang völlig generischen Film noch etwas herauszuholen, andererseits aber auch viel zu spät. Bereits am Anfang versieben es die Drehbuchautoren Jim Agnew und Sean Keller, die nach dem Giallo-Debakel tatsächlich noch einmal Arbeit gefunden haben, und zimmern ein vor Süßlichkeit und "ehrlicher Arbeit" nur so triefendes Set-Up. Cage ist jetzt ein ganz strammer Amerikaner, der selbst mit seinem Bewährungspolizisten (Danny Glover) ein super Verhältnis hat, die traumhafte Tochter (Aubrey Peeples) verbreitet Harmonie pur und die rallige Freundin (Rachel Nichols) verglüht vor horizontaler Sehnsucht. Mit anderen Worten: Die titelgebende Tokarev-Waffe wird für maximales Leid sorgen.

Was danach folgt ist überraschungsfreie "by the numbers"-Rache, die nicht einmal den Versuch unternimmt, irgendetwas Originelles zu produzieren, und erst am Ende eben eine Ahnung davon gibt, was mit dieser Idee und wesentlich besseren Drehbuchautoren vielleicht möglich gewesen wäre. Im Grunde genommen ist Tokarev eigentlich ein Fall für Steven Seagal, der die billig aussehenden Actionszenen auch nicht klobiger absolvieren würde und ebenfalls ein possierliches Haarteil spazieren führt. Dass sich Nicolas Cage für so einen Film hergibt, mag man kaum glauben, doch was soll's, es muss eben Geld her – und vielleicht hat ja Cage den gleichen Agenten wie John Cusack und Robert De Niro.

Über weite Strecken wirkt der Hauptakteur nicht gerade unter Strom, was übrigens auch für Danny Glover und Peter Stormare gilt, doch ein paar klassische Cage-Momente sind zum Glück trotzdem drin. Schreien, Heulen, nachdenkliches Stieren und Leiden mit Haarteil-Strähnchen über den Augen – alles anwesend. In solchen Momenten bekommt Tokarev ein bisschen Klasse, die dann in weiteren Momenten, zum Beispiel bei den schläfrigen Shootouts oder Verfolgungsjagden, wieder vernichtet wird. Auffällig ist hier, dass Regisseur Paco Cabezas ein Freund kleingehackter Stroboskop-Effekte ist, was eigentlich per Gesetz verboten gehört, und Nicolas Cage nur mit gnädigen Schnitten die Kämpfe durchstehen kann. Alles über 10 Meter Laufen – ein Problem.

Eigentlich kann man nur hoffen, dass Nicolas Cage möglichst bald seine Steuerschulden begleichen kann und dann wieder auf Normalpegel spielen darf. Dass der Mann noch immer etwas zu sagen hat, beweist zum Beispiel Joe, der genau zwischen Stolen und Tokarev eingeschoben wurde, und der nächste Paul-Schrader-Film, The Dying of the Light, verspricht ebenfalls Großes: "Evan Lake, a desk-bound Langley CIA agent, is forced into retirement by signs of early onset dementia."


Dementia und Nicolas Cage, sehr gerne. Tokarev und Nicolas Cage hingegen, eine mittelmäßige Zeitverschwendung. Alle außer Komplettisten des Mannes (soll es ja geben...!?) können hier gelassen weitergehen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/tokarev