Cannibal Girls (Blu-Ray)

Vor den Ghostbusters kamen die Kannibalinnen

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Dies ist der Film mit der Warnglocke. Das war eine Idee des amerikanischen Vertreibers AIP, der die Warnglocke einbaute und immer schellen ließ, bevor eine blutige Szene kam. Das Publikum sollte so gewarnt werden und die Möglichkeit haben, die Augen zu schließen. Oder sich auf das freuen, was gleich kommen sollte. Das ist ein Kuriosum, wirklich bemerkenswert ist Cannibal Girls aber aus zwei anderen Gründen: Dies war der erste, wirklich erfolgreiche kanadische Horrorfilm und der spätere Ghostbusters-Regisseur Ivan Reitman gab hier sein Debüt.
Der Wagen von Clifford und Gloria gibt den Geist auf. Beide sind in der Kleinstadt Farnhamville gestrandet. Sie beschließen, ein bisschen zu entspannen und erfahren, dass es ein ganz besonderes Restaurant etwas abseits gibt. Dort soll man grandios essen können. Und: Bevor das Haus zu einem Restaurant wurde, lebten früher kannibalische Frauen dort, die nur Männer fraßen. Dumm nur, dass die Bewohner des Hauses Cannibal Girls sind und alle Gäste über kurz oder lang in der Küche enden …

Cannibal Girls zeigt, was passiert, wenn man einen Film dreht, neun Tage Zeit und keinerlei Ahnung hat, statt eines Drehbuchs nur mit einer Outline arbeitet und die Schauspieler ihre Dialoge improvisieren lässt. Ein stringenter Film kann da kaum herauskommen, Ivan Reitmans Debüt hat aber etwas, das vielen Werken, die stärkerer Politur unterzogen werden abgeht: ganz viel Charme. Der Film ist roh, nicht nur in Inhalt, sondern auch in Form. Die Mixtur aus Horror und Humor funktioniert, auch und gerade, weil es Reitman gelungen ist, eine düstere Stimmung heraufzubeschwören, was die Kleinstadt betrifft, in der die beiden Hauptfiguren Fremde in einem fremden Land sind. Dementsprechend begegnet man ihnen auch. Cannibal Girls erzeugt das Gefühl des Gefangenseins. Die Hauptfiguren sind umzingelt und werden in eine Richtung gedrängt, in der ihr Schicksal besiegelt wird.

Der Humor ergibt sich vor allem durch Eugene Levy und Andrea Martin, die die Hauptfiguren darstellen. Levy, jüngeren Zuschauern wohl vor allem als Jims Dad aus den American Pie-Filmen bekannt, ist hier kaum zu erkennen, mit dem Afro, den gewaltigen Koteletten und dem Walrossbart. Großartig ist die Szene, als Clifford und Gloria in ihrem Motelzimmer herummachen. Auch das war improvisiert, ist aber vor allem lustig, weil Clifford seine Zigarette nicht aus den Händen lässt. Martin ist ähnlich amüsant, was in der deutschen Fassung noch unterstrichen wird, da sie von Hildegard Krekel (Ein Herz und eine Seele) synchronisiert wurde.

Das Mediabook von Anolis ist eine Wucht. Der Film liegt auf Blu-ray und DVD vor, zudem gibt es eine Bonusdisk mit einer Grindhouse-Version des Films. Das heißt, es ist die deutsche Kinofassung basierend auf einer abgenudelten, kaputten Kinorolle. Im Bonusmaterial sind vor allem die Featurettes "Cannibal Guys" und "Meat Eugene" interessant. In ersterer erklären Ivan Reitman und Daniel Goldberg, wie der Film zustande kam und wie er in Cannes schließlich an Samuel Z. Arkoff von American International Pictures verkauft wurde. Dies wird auch im beiliegenden Booklet wiederholt, das sich aber auch mit Reitmans weiterer Karriere befasst (und u.a. auch David Cronenbergs ersten Kinofilm beinhaltet). "Meat Eugene" ist ein amüsantes Interview mit Eugene Levy, das beim Fleischer stattfindet. Levy beweist hier, warum er als Komiker so erfolgreich ist. Zudem gibt es das US-Pressbook, eine Bildergalerie, die Trailer und einen deutschsprachigen Audiokommentar von Ingo Strecker und Thomas Kerpen. Die kanadische Schauspielerin Lynn Lowry, die in Cannibal Girls nicht mitwirkt, aber in der Reitman-Produktion Parasiten-Mörder dabei war, spricht ein Intro für den Film.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/cannibal-girls-blu-ray