Last Passenger

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Es ist eine gruselige Situation: Der Zug rast durch die Nacht, es sind nur noch wenige Passagiere an Bord, ein Halt ist nicht in Sicht. Der Zugführer rast durch jede Haltestelle. Aber was wird passieren, wenn er den Endpunkt erreicht? Wird er bremsen? Oder ist sein Ziel ein Crash von tödlichen Ausmaßen?
Mit diesen Fragen müssen sich der Arzt Lewis Shaler (Dougray Scott), der sich um seinen kleinen Sohn sorgt, und eine Reihe weitere Fahrgäste auseinandersetzen. Was zuerst ungläubiges Staunen ist, wird schließlich zu bitterer Angst, denn ihnen allen ist klar, dass diese Reise kein gutes Ende nehmen wird. Wenn sie nicht einen Weg finden, den Zug zu verlassen oder ihn zum Halten zu bringen.

Der britische Thriller verströmt ein sehr klassisches Gefühl. Es wäre vermessen, Omid Nooshins Film mit einem Hitchcock zu vergleichen, aber der Jungregisseur hat sich offenkundig vom Maestro inspirieren lassen. In gewisser Weise ist sein Film recht altmodisch, denn er ist anfangs entschleunigend. Nooshin nimmt sich Zeit, die Figuren und ihre Beziehung untereinander zu definieren und aufzufächern. Damit bringt Last Passenger dem Zuschauer die Figuren so nahe, dass er tatsächlich eine emotionale Reaktion empfindet, wenn es eben nicht alle schaffen, diese Prüfung zu überstehen.

Dabei erzeugt Nooshin ein Gefühl der Beengung. Zusammen mit Kameramann Angus Hudson (The Broken) macht er den Zug zu einer weiteren Hauptfigur. Beiden Männern ist aber bewusst, dass damit auch eine Gefahr einhergeht: die statischer Aufnahmen. Aber Hudson sorgt dafür, dass Last Passenger auch visuell immer interessant bleibt. Er findet Kamerawinkel, die ungewöhnlich sind und das Auge beschäftigen.

In Geschichten wie diesen ist die Gruppe im Grunde vordefiniert. Es gibt immer einen, der als totaler Quertreiber agiert und nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Dieser Konvention verweigert sich Last Passenger aber. Er spielt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, setzt dann jedoch auf gut ausgearbeitete Figuren, die den Zuschauer daran erinnern, dass der erste Eindruck, den man sich von jemandem macht, nicht zwangsläufig der richtige ist. Das gilt im weiteren Sinne auch für den Film selbst, bei dem man anfangs glaubt, recht genau zu wissen, was er bieten wird, nur um dann angenehm überrascht zu werden. Last Passenger ist ein Thriller klassischen Zuschnitts, der es schafft, mit dem Gefühl der Klaustrophobie nicht nur den Protagonisten, sondern auch dem Zuschauer zuzusetzen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/last-passenger