Prosperos Bücher (1991)

Spektakulärer Sturm-Stoff

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Es ist ein in vielerlei Hinsicht faszinierend prächtig gestaltetes, bildgewaltiges und bibliophiles Glanzstück, das der britische Filmemacher Peter Greenaway basierend auf dem Drama Der Sturm / The Tempest von William Shakespeare inszeniert hat. Prosperos Bücher aus dem Jahre 1991 ereignet sich in einem dichten, oppulenten und ästhetisch äußerst facettenreich und ansprechend ausgestatteten Szenario von intermedialen Imaginationen ohne Grenzziehung zwischen einer gewöhnlichen Wirklichkeit, Träumen und Visionen, so dass ein surreales Spektakel überwältigender Impressionen als innovative Kunstform entsteht, die das gängige Konzept filmischer Narration infrage stellt.

Auf einer abgelegenen Insel residiert Prospero (John Gielgud), einst Herzog von Mailand, mit seiner Tochter Miranda (Isabelle Pasco) und einer unübersichtlichen Schar von schönen Wesen und Geistern wie dem bösartigen Caliban (Michael Clark) und dem dreifachen Ariel (Orpheo, Paul Russell, James Thiérrée), nachdem er dort nach einem heftigen Sturm mit dem Schiff gestrandet ist, auf das ihn sein Bruder Antonio (Tom Bell) verbannt hat. Seine kostbaren Bücher hat Prospero, der auf Rache sinnt, retten können, und es sind diese wunderbar gestalteten Kleinode der wirkungsmächtigen Worte und lebendigen Illustrationen, deren Präsentation die Dramaturgie dieses geradezu magischen Films strukturiert.

Es ist ein damals weit über siebzigjähriger John Gielgud – als versierter Darsteller in zahlreichen Shakespeare-Stücken bekannt – der mit erhabener Souveränität hier nunmehr auch den filmischen Prospero spielt und in der englischen Originalversion zudem als Erzähler seiner eigenen Geschichte fungiert, deren Figuren er allmählich in ihre Eigenmächtigkeit entlässt, während er selbst seinen ungeheuren Zorn läutert und letztlich versenkt, ebenso wie den Schatz seiner geliebten Bücher mit Hilfe der drei nunmehr freien Ariels im Meer, wo sie kurioserweise entflammen und ihre gehaltvolle Existenz innerhalb eines versöhnlichen Finales aushauchen, das die Rückkehr von Prospero in die höfische Welt von Mailand verheißt.

Von überdimensionierten Hüten und Halskrausen bis hin zu extraordinärem Schuhwerk nach dem Kostüm-Design von Ellen Lens besticht Prosperos Bücher mit überbordender Visualität durch seine exzellente Ausstattung, die von üppiger, ansehnlicher Nacktheit der Wesens-Schar kontrastiert wird. Der mächtige Magier Prospero, der seine Zauberkräfte aus dem Wissens- und Weisheitsschatz seiner Bücher schöpft, inszeniert einen luziden Rausch aus phantastischen Kalli- und Choreographien und schreibt sein letztes Stück, um dann den Abschied von den hilfreichen Geistern, den magischen Büchern und den Feindseligkeiten zu zelebrieren und sein Publikum zu bitten, ihm einen letzten, erlösenden Applaus zu spenden – ein würdiger, selbstreferenzieller Abgang, mit dem sich William Shakespeare von seinem Schaffen zurückzieht, denn die Figur des Prospero erscheint in vielerlei Aspekten als ein finales Alter Ego des berühmtesten britischen Dramatikers, der mit Der Sturm wohl sein letztes Werk beendet hat, das auch in Peter Greenaways grandioser Version dieses Stoffes der Vernichtung der Bücher entrissen wird und so auch einem posthumen Publikum erhalten bleibt.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/prosperos-buecher