Gone in 60 Seconds – Nur noch 60 Sekunden (1974)

Immer Ärger mit Eleanor

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Im Jahr 2000 tauchten Angelina Jolie und Nicolas Cage in dem ordentlichen Actionthriller Nur noch 60 Sekunden / Gone in Sixty Seconds des ehemaligen Clip-Regisseurs Dominic Sena auf. Das Original zu diesem Remake ist demgegenüber weit weniger bekannt, obwohl es dank seines positiv verrückten Machers H.B. Halicki Filmgeschichte schrieb. Jetzt hat Concorde Halickis Gone in 60 Seconds – Nur noch 60 Sekunden auf Bluray herausgebracht.

Darin erhält eine Bande professioneller Autoknacker unter Führung des ausgebufften Maindrian Pace (H.B. Halicki) den Auftrag, über 40 speziell ausgesuchte Luxuskarossen zu entwenden. Die Gesellschaften, bei denen die gestohlenen Wagen versichert sind, und die Polizei tappen im Dunkeln, wer hinter den spektakulären Beutezügen steckt. Als Pace jedoch einen bereits entwendeten Wagen zurückbringt, weil der entgegen seiner Ganovenehre nicht versichert war, und er stattdessen ein anderes Fahrzeug desselben Typs stehlen will, erhält die Polizei einen Tipp. Es gelingt dem Dieb zwar, den gewünschten Mustang aufzubrechen, den er liebevoll Eleanor nennt, aber die Ordnungshüter erwarten ihn schon. Jetzt muss der versierte Autoknacker unter Beweis stellen, dass er ebenso spektakulär fahren kann. Es entbrennt eine rasante Verfolgungsjagd zwischen unzähligen Polizisten sowie dem Flüchtigen.

Man muss der Tatsache ins Auge sehen, dass es nur einen einzigen Grund gibt, sich dieses Werk anzusehen: die abschließende gut 35-minütige Verfolgungsjagd, mit deren Länge und Aufwand Halicki Filmgeschichte geschrieben hat. Die Ereignisse davor sind so dröge in Szene gesetzt, dass sie oft überflüssig wirken. Die dreiste Selbstsicherheit, mit der die Bande die teuren Autos klaut, sorgt zwar zunächst für angenehme Unterhaltung, dann aber wiederholt sich das Schema so oft, dass es sich abnutzt. Die Konflikte innerhalb der Gruppe haben keine besondere Tragweite für das Geschehen, bis der Verrat passiert. Halicki ist einfach kein Geschichtenerzähler. Ihm liegt es nicht, eine Dramaturgie mit aufeinander aufbauenden Schwierigkeiten, raffinierten Plänen oder Ähnlichem zu entwerfen. Deswegen ist Gone in 60 Seconds Stückwerk, bis der autovernarrte Halicki seine Lieblingsobjekte zu den zentralen Hauptdarstellern des Films macht und sie auf rasante Weise hintereinander herhetzt.

Denn die abschließende Verfolgungsjagd genießt ihren spektakulären Ruf zu Recht. Die Länge wird zwar auch durch Zwischenschnitte erreicht, in denen ein Reporter bei Interviews mit Augenzeugen der Hatz zwischen Dieb und Polizei gezeigt wird, aber das schmälert den Einfallsreichtum des Actionregisseurs Halicki nicht. Neben einigen spektakulären Teilen mit beträchtlichen Blechschäden ist es vor allem die raffinierte Art des Diebes, die zur Qualität der Sequenz beiträgt. Immer wieder narrt er die Polizei durch sein taktisches Geschick, sodass die Ordnungshüter das Nachsehen haben. Hier entwickelt sich plötzlich eine Dramaturgie, die ihre Kraft aus einem ausgefeilten Katz- und Mausspiel zieht. Die im ersten Filmteil schmerzlich vermisste Spannung hält mitsamt ihres emotionalen Potenzials Einzug. Zusätzlich entwickelt Halicki über die eingestreuten Augenzeugeninterviews eine weitere Perspektive auf die dramatischen Ereignisse und lässt so den Informationshunger berichterstattender Medien einfließen, der sich erst viele Jahre später zu seiner vollen Größe aufbauen sollte. 35 Minuten ausgezeichneten Actiondramas können zwar nicht den Anfang wettmachen, aber sie sind tatsächlich ein Grund, sich den Film anzusehen.

Neben der gekürzten deutschen Kinoversion im Format 1:1,33 enthält die Bluray die sehenswerte 45-minütige Dokumentation "Die Höhepunkte im Leben von H.B. 'Toby' Halicki". Darin kommen Weggefährten und an den Filmproduktionen Beteiligte des 1989 bei einem tragischen Unfall verstorbenen Halicki zu Wort. Sie thematisieren ebenso die Gefährlichkeit der Arbeit sowie Halickis Leidenschaft für Car-Crash-Filme. Der tödliche Unfall wird auch beleuchtet. Zahlreiche Informationen über die Durchführung der Stunts runden die Dokumentation ab. Interviews mit Halickis Witwe Denice und anderen Bekannten des Car-Crash-Kings erweitern zusammen mit Ausschnitten aus Halickis Filmen "Deadline Auto Theft" und "The Junkman" sowie einem Trailer zum Film das Bonusmaterial der Bluray.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/gone-in-60-seconds-nur-noch-60-sekunden-bluray