Hatufim - In der Hand des Feindes

Gefangene des Krieges

Eine Filmkritik von Martin Beck

Homeland macht es möglich. Die amerikanische TV-Serie ist ein so großer Erfolg, dass nun auch Hatufim, die aus Israel stammende Vorlage, bei uns veröffentlicht wird – allerdings in einem wesentlich überschaubareren Rahmen. Die bereits erfolgte Ausstrahlung der ersten Staffel auf arte dürften wohl die wenigsten mitbekommen haben, der ungelenke Titel (als Übersetzung würde sich "Die Entführten" anbieten) verursacht Fragezeichen und jetzt folgt die Heimkino-Auswertung. Ausschließlich auf DVD. Mit einer Synchro, die den filmischen Qualitäten immer wieder holprige Hürden aufstellt.
Was bei Hatufim besonders schwer wiegt, denn hier wird großen Wert auf Dialoge gelegt – alleine schon dadurch bedingt, dass der Fokus nicht auf zwei, sondern sechs Personen gerichtet ist: Drei Kriegsgefangenen, die nach 17 Jahren nach Israel zurückkehren, und ihren drei Frauen...bzw., im Fall von Amiel, seiner Schwester. Alle diese Personen werden durch die Freilassung vor völlig neue Lebenssituationen gestellt, und wenn dann auch noch diverse Familienangehörige und Geheimdienstmitarbeiter auftauchen, ist für ausreichend Gesprächsstoff auf jeden Fall gesorgt.

Während Homeland vor allem den Thriller-Aspekt dieser Konstellation betont, also die Frage, ob der lange Knastaufenthalt den Gefangenen womöglich hat überlaufen lassen, konzentriert sich Hatufim auf die dramatische Seite: Wie reagieren die Familien, wie reagieren die Heimkehrer, was für Konflikte entstehen aus 17 Jahren Abwesenheit? Die Thriller-Handlung gibt es zwar auch, aber eigentlich nur unter ferner liefen, bzw. als diffuse Andeutungen, die über Episoden hinweg kaum weitergeführt werden. Als letzter Strang werden noch Rückblenden in die Gefangenschaft etabliert, die sowohl das Martyrium der Männer zeigen, als auch plausible Motivationen für die Ereignisse in der Gegenwart liefern.

Diese Vielzahl der Plotstränge in Kombination mit den zahlreichen Figuren und der Betonung der familiären Konflikte machen die erste Staffel von Hatufim zu einer mitunter zähen Angelegenheit, die zwar nie banal wird, aber viele Situationen über Gebühr ausreizt. Besonders viel Geduld braucht man mit Talia (Yaël Abecassis), die meint, ihren heimgekehrten Mann Nimrod (Yoram Toledano) nach Strich und Faden bemuttern zu müssen, und auch die Beziehung zwischen Uri (Ishai Golan) und Iris (Sendi Bar), einer vom Geheimdienst beauftragten Möchtegern-Freundin, ist genauso langwierig wie offensichtlich. Alles bei Hatufim ist echt wichtig, jeder Konflikt muss profunde Tiefgründigkeit ausstrahlen.

Wirklich gut wird die Serie bei den Rückblenden, die sehr intensiv den Horror der Gefangenschaft schildern, der Thriller-Strang, minus Iris, ist ebenfalls gelungen (wenn er denn mal aufgegriffen wird), doch vieles andere, vielleicht auch bedingt durch die furchtbar steife und furchtbar weit nach vorne gemischte Synchro, wirkt sehr bemüht. Nimrod z.B., möchte unbedingt in der Werbeagentur eines alten Freundes anfangen und platzt dann unvermittelt in eine Präsentation, der er unbedingt seine handgemachten Ideen aufzwingen möchte. Das endlos weit hergeholte Resultat daraus: Der Mann ist nicht mehr ganz up to date.

Ach ja? Also das kommt jetzt nicht wirklich überraschend, und bräuchte wie so vieles hier eine straffende Hand – die am besten damit anfangen sollte, die zu große Zahl der Charaktere zu reduzieren. Im Kern ist Hatufim nämlich sehr wohl eine gute Serie, getragen von starken, erwachsenen Themen und fast durchweg guten Schauspielern, doch wenn dann am Ende der ersten Staffel so gut wie nichts gelöst ist und dazu noch ein drastischer (und meilenweit vorher telegraphierter) Cliffhanger passiert, sinkt die Spannung auf Staffel 2 schon gewaltig. Egal wie viel Zeit eine Serie hat, sie muss klare Entwicklungen zeigen, sonst steigt man unweigerlich aus. Eine Aufgabe, die im direkten Vergleich die Kopie (=Homeland) tatsächlich besser gelöst hat als das Original.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/hatufim-in-der-hand-des-feindes