Dokumentarisch Arbeiten 2: Grabe/ Mikesch/ Farocki/ Heise

Auge in Auge

Eine Filmkritik von Falk Straub

„Komm ins Offene, Freund ...“, diese Anfangszeile eines Gedichts von Hölderlin benennt für Christoph Hübner in aller Kürze, was ihm am dokumentarischen Arbeiten wichtig ist: das Arbeiten ins Offene, das Improvisieren und das Entdecken. In einer Reihe jeweils einstündiger Filmgespräche mit anderen Dokumentarfilmern geht der 1948 in Heidelberg geborene Regisseur auf solche Entdeckungsreisen, lässt seine Kollegen von ihrer Arbeitsweise erzählen, klopft ihr Verständnis des Dokumentarischen ab, hakt ein und bohrt nach.
Vier dieser Gespräche sind nun auf der Doppel-DVD Dokumentarisches Arbeiten 2 in der Edition Filmmuseum erschienen. Dieses Mal bittet Hübner Hans-Dieter Grabe, Elfi Mikesch, Harun Farocki und Thomas Heise vor seine Kamera. Die Gespräche wurden zwischen 1998 (Grabe) und 2012 (Heise) aufgezeichnet. Seit 2008 ist der erste Teil der Reihe mit Jürgen Böttcher, Peter Nestler, Volker Koepp und Klaus Wildenhahn auf dem Markt.

Die Herangehensweise an den Dokumentarfilm der vier Gesprächspartner könnte unterschiedlicher kaum sein. Während Hans-Dieter Grabe, wann immer es geht, auf Archivaufnahmen verzichtet, da es sich für Grabe dabei um Bilder handelt, die ihren Wert bereits zu verlieren drohen, wären viele Filme und Installationen Harun Farockis ohne sie nicht denkbar. "Ich liebe es, das Gesampelte zu machen", sagt Farocki und beschreibt, wie viel Spaß er daran hat, in die Archive hinabzusteigen, um Entlegenes zutage zu fördern.

Und während bei Elfi Mikesch die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation verschwimmen, ist der Zuschauer in Thomas Heises jüngsten Filmen ganz auf das Beobachten des Dokuments zurückgeworfen. Mikesch, die vom Spielfilm kommt, unter anderem Kamerafrau bei Rosa von Praunheim und Werner Schroeter war, fällt es schwer, die "Klippen der formalen Verführung" zu umschiffen. Ihre Dokumentarfilme sind gut ausgeleuchtet, die Dinge wohl kadriert. Hinzu kommt Mikeschs Spieltrieb. Gerne inszeniert sie kleine Teile, um zu sehen, wie die Protagonisten darauf reagieren.

Ganz anders Heises Sonnensystem (2011). Der Film erzählt über den Alltag der indigenen Gemeinschaft der Kollas in den Bergen Nordargentiniens frei von formalem Zierrat. Ohne Off-Kommentar, analytische Montage oder aufwendige Kamerabewegungen zeigt Heise das Leben der Bergbewohner in Totalen und erlaubt dem Zuschauer so, seinen Blick umherschweifen zu lassen.

Um die Gedankengänge seiner Gesprächspartner zu verdeutlichen, streut Christoph Hübner immer wieder Ausschnitte aus deren Arbeiten ein, zeigt so auch eine Entwicklung in deren Werk auf. Im Dialog selbst bleibt Hübners Kamera ganz auf sein Gegenüber fokussiert und macht mit einfachsten Mitteln eindrucksvoll deutlich, wie faszinierend und erhellend eine simple Unterhaltung sein kann, wenn man einen interessanten Gesprächspartner hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/dokumentarisch-arbeiten-2-grabe-mikesch-farocki-heise