Verbrechen nach Schulschluss

Generation Halbstark

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Alfred Vohrer, der vor allem für Edgar Wallace-Filme wie Das Gasthaus an der Themse und Der Zinker bekannt ist, hat sich auch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im Nachkriegsdeutschland beschäftigt. So ist sein 1970 entstandener Polizeithriller Perrak, in dem Horst Tappert die Hauptrolle eines schnoddrigen Kommissars spielt, eine derbe Abrechnung mit bürgerlicher Scheinmoral. Bereits 1959 nahm Vohrer im Sozialdrama Verbrechen nach Schulschluss ein anderes Gesellschaftsthema auf, indem er die schwierige Beziehung zwischen der jungen und der älteren Generation für die Erzählung über den Absturz eines Schülers nutzte.
Fabian König (Christian Wolff) besitzt die Energie der Jugend, die sein Lehrer nicht mehr an den Tag legt. Weil legale Mittel nicht gefruchtet haben, bittet der Pädagoge seinen Schüler, einen angeketteten Hund zu befreien. Dabei wird Fabian jedoch erwischt und anschließend von der Schule geworfen. Sein Lehrer hat feige jede Verbindung zu dem Vorfall abgestritten, um nicht selbst Probleme zu bekommen. Ohne nennenswerte Perspektive gründet Fabian mit ein paar alten Mitschülern eine Bande, die mit Diebstählen Profit macht. Die Beziehung zu dem schmierigen Hehler Bregulla (Walter Clemens), der mit der halbseidenen Erna Kallies (Erica Beer) liiert ist, heizt das kriminelle Geschäft weiter an. In Ernas Wohnung lernt Fabian die unschuldig-attraktive Ulla Anders (Heidi Brühl) kennen, die er schon bald seiner Freundin Viola von Eikelberg (Corny Collins) vorzieht. Als Bregulla eines abends nach einem Streit mit Fabian tot aufgefunden wird, glaubt die Polizei sofort an die Schuld des jungen Mannes. Nur Gefängnisarzt Dr. Knittel (Peter van Eyck) ist von der Eindeutigkeit des Geschehens nicht überzeugt.

Vohrer macht keinen Hehl daraus, wem seine Sympathien gelten. Der Generation, die 20 Jahre zuvor in breiter Masse nicht gegen das verbrecherische Regime der Nationalsozialisten revoltiert hat, kann man nicht trauen. Der Lehrer, der Fabian den Auftrag zur Hunderettung gegeben hat, erweist sich als widerlicher Opportunist. Wenn es ernst wird, zieht er sich feige zurück. Fabians Vater Oberst Dr. König (Richard Münch) hält militärische Tugenden hoch, ohne einen Hauch an Selbstreflexion zu offenbaren. Bei einem Streit schleudert ihm Fabian deswegen auch entgegen, dass er sich nicht wegen neumodischer Musik aufregen solle. Denn damals hätte er auch seine Musik gehabt, zu der aber nicht getanzt, sondern marschiert. Das sitzt! Prägnant zugespitzt bringt der Diaolog den ganzen Frust des halbstarken Fabian und seiner Generation angesichts der immer noch selbstgerecht agierenden Älteren auf den Punkt. Dabei geht es Vohrer aber nicht um eine Analyse der Schuldfrage in Zeiten diktatorischer Herrschaftsverhältnisse, sondern darum, den Riss zwischen Jung und Alt aufzuzeigen, der auch durch die fehlende Aufarbeitung der jüngeren Geschichte entstanden ist.

Daraus hat sich eine Kommunikationslosigkeit der Generationen entwickelt, aus der schließlich eine zerstörerische Energie hervorgegangen ist. Fabians Rebellion mündet in der Illegalität, weil er ohnehin keine Ordnung erkennt, für die er Respekt empfinden könnte. Deswegen baut er seine eigene Ordnung auf und entwickelt sich zu einem harten Bandenchef. Vohrer legt den Finger in die Wunde der Autoritäten. In einer erschreckenden Szene gibt Oberst Dr. König zu, dass er seinen Sohn nicht mehr erreiche. Aber statt aus dem Geschenk der Selbsterkenntnis fruchtbare Konsequenzen zu ziehen, begibt er sich bockig in die innere Emigration desjenigen, der aus der eigenen Perspektive betrachtet ganz sicher nichts falsch gemacht hat.

Die Mauer der fehlenden Empathie, mit der Fabian konfrontiert wird, bricht erst auf, als er den Gefängnisarzt Dr. Knittel trifft. Der findet durch verständnisvolle Worte einen Zugang zu dem jungen Mann ohne Orientierung. Peter van Eyck legt in der Darstellung des Arztes seine beruhigend-fürsorgliche Ausstrahlung in die Waagschale. Mit warmherzigem Blick und ruhigen Gesten baut er ein Gegenbild zur Kälte auf, die Eltern, Lehrer und Richter ausstrahlen. Vohrer legt keinen Wert auf eine Abrechnung, die in Hoffnungslosigkeit ertrinkt. Seine Bestandsaufnahme einer gefährlich verstummten Gesellschaft, die bei konsequenter Fortführung der Sprachlosigkeit nur Isolation, Unverständnis und letztlich neue Gewalt hervorbringt, soll die Chance auf einen Ausweg enthalten. Das ist legitim, auch wenn der Ruf danach unerhört geblieben ist, denn der Knall sollte erst noch folgen.

Das saubere Bild der DVD kommt mit einer guten, durchschnittlichen Schärfe daher. Die Konturen sehen etwas weich aus, manchmal bilden sich auch leichte Dopplungen. Bei Bewegungen macht sich gelegentlich ein leichtes Flimmern bemerkbar. Die Graustufendarstellung ist leider nicht immer optimal, da in einigen Szenen kein fließender Übergang geboten wird, sondern klare Abgrenzungen zwischen helleren und dunkleren Teilen zu sehen sind. Das wirkt dann beispielsweise so, als wenn aneinander anschließende halbkreisförmige Flächen mit einem unterschiedlich intensiven Grau gefüllt worden wären. Die Körnung des Materials ist sichtbar, stört aber nicht.

Der DD 2.0 Mono-Ton kommt fast ohne Hintergrundrauschen aus. Ganz dezent ist es zu hören, ohne dass die Dialogverständlichkeit beeinträchtigt wird. Nennenswerte Verzerrungen sind nicht feststellbar.

Das Bonusmaterial besteht aus einer vierseitigen Replik der Illustrierten Filmbühne über Verbrechen nach Schulschluss.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/verbrechen-nach-schulschluss