Kings of the City

Stadtreinigung per Spezialeinheit

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Wenn Großveranstaltungen anstehen, wollen Offizielle immer, dass jegliches Störfeuer von der Bildfläche verschwindet. Die werbewirksame Hochglanzwelt soll ihre Wirkung voll entfalten und kaum ein Event besitzt mehr Strahlkraft, als eine Weltausstellung.
In diesem Kontext spielt Alberto Rodríguez' Cop-Film Kings of the City, der wenige Jahre vor der EXPO ansetzt, die 1992 in Sevilla stattfand. Ende der 1980er Jahre soll eine Spezialeinheit aus vier Polizisten dafür sorgen, dass die spanische Stadt kein heißes Pflaster mehr für Drogengeschäfte ist. Bei ihren Aktionen treffen die Ordnungshüter erwartungsgemäß auf Widerstand, aber sie reagieren mit Methoden jenseits der Legalität. Sowohl brutale Gewalt als auch das geschickte Abgreifen von Insiderinformationen sichert ihnen schnelle Erfolge. Vorgesetzte und Staatsanwaltschaft schauen angesichts der steigenden Verhaftungen weg, weil das Ziel einer sauberen Stadt auch fragwürdige Mittel heiligt. Die Polizisten spüren jedoch, dass sie sich letztlich nur auf sich selbst verlassen können. Denn wenn der Bogen einmal überspannt sein sollte, dann wird die schützende Hand verschwinden. Der daraus entstehende Druck prägt ihr Leben zwischen dem Hass der Gangster und der Gefahr, abzustürzen.

In regelmäßigen Abständen schneidet Rodríguez zusammen mit seinem Cutter José M. G. Moyano immer wieder auf Baustellenbilder der zukünftigen EXPO-Anlagen, die eine so verwaschene Qualität besitzen, dass sie wahrscheinlich dokumentarisch sind. Sie rufen den Hintergrund in Erinnerung, vor dem die Menschen in Kings of the City handeln. Es ist das große Ziel der Megashow, das die Gewalttätigkeit der Polizisten erhöht. Die gigantische Bedeutung einer EXPO sorgt im Verbund mit der Unmöglichkeit der gestellten Aufgabe, Sevillas Drogensumpf auszutrocknen, dafür, dass Grenzen überschritten werden. Das gilt nicht nur für körperliche Misshandlungen, mit denen Drogenhändler zu Aussagen gezwungen werden sollen, die Polizisten arbeiten auch auf geschickte Weise mit einer Milieuangehörigen zusammen. Sie kann weiter ihre Geschäfte abwickeln, sofern genügend andere über die Klinge springen. Wenn es sein muss, wird Verdächtigen die heiße Ware auch untergeschoben.

Rodríguez fängt das zunehmend fragwürdiger werdende Leben der Spezialeinheitsmitglieder durch effektive Handkameraaufnahmen ein, die auf dynamische Weise bei den Figuren bleiben, ohne in völliger Hektik zu ertrinken. Dabei arbeitet er mit einer spannenden visuellen Dramaturgie, die helle Aufnahmen über weite Strecken für das gefährliche Berufsleben reserviert, während die ganz wenigen privaten Szenen in ein Schummerlicht oder Dunkelheit getaucht sind. So mächtig sich die Polizisten auch fühlen, so ausgeliefert erscheinen sie bei ihrer Berufsausübung im spanischen Sonnenlicht. In einer der intensivsten Szenen des ganzen Films befindet sich Ángel (Mario Casas) – einer der Cops – in dem komplett umbauten Innenhof eines Viertels der Drogenbanden. Die absolute Stille sorgt im Verbund mit den menschenleeren, schwarzen Fensteröffnungen in den weißen Fassaden für eine beklemmende Stimmung, die das Gefühl der Angst auf den Punkt bringt, die bei den Polizisten alle Dämme der Korrektheit brechen lässt. Die unmenschliche Aufgabe zerfrisst ihre Seelen, während die brutalen Methoden eine entsprechende Gegenwehr hervorrufen. Schutz findet Rafael (Antonio de la Torre) – ein weiterer Polizist – nur in der Dunkelheit seiner Wohnung, in der spartanisches Licht herrscht. Doch diese Höhle wirkt nicht erleichternd, sondern bedrückend, zumal regelmäßige Christus-Statuenbesuche von einer zurückliegenden Schuld erzählen, die ihn plagt.

Das anstehende Großereignis der EXPO und der moralische Niedergang der Polizisten verschmelzen in Rodríguez' Thriller zu einer Einheit, die gesellschaftliche Fragen nach Moral und Wertesystem aufwirft. Vor allem gelingt es dem Regisseur, der glänzenden Scheinrealität, die später mit der EXPO verbunden war, ein rohes Gegenbild anzuheften. Kings of the City fordert dazu auf, hinter die Fassaden zu gucken.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/kings-of-the-city