Scanners – Ihre Gedanken können töten

Über Menschen

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Aus der Kraft besonderer Fähigkeiten erwächst die Gefahr des Missbrauchs. Deswegen ist eine besondere Verantwortung notwendig, um der dunklen Seite der menschlichen Seele zu entgehen. Cameron Vale (Stephen Lack) besitzt als sogenannter Scanner solche Fähigkeiten, weiß aber nicht genau, was es damit auf sich hat. Er ist in der Lage, mit seinen telepathischen und telekinetischen Kräften Menschen zu kontrollieren. Seine Fähigkeiten brechen jedoch wahllos aus ihm heraus, ohne dass er sie in gezielte Bahnen lenken kann. Erst als er von Dr. Ruth (Patrick McGoohan) eingefangen wird, einem im Dienste des Forschungsunternehmens Consec stehenden Wissenschaftlers, ändert sich seine Situation. Vale lernt, mit den Kräften umzugehen. Dabei hat Dr. Ruth ein klares Ziel vor Augen. Denn Darryl Revok (Michael Ironside), ebenfalls ein Scanner, ist der Kopf einer Untergrundorganisation, die Böses im Schilde führt. Vale soll Revok stoppen, dessen Aufenthaltsort jedoch unbekannt ist. Bei seinen Ermittlungen stößt Vale aber nicht nur auf Spuren zu seinem Gegner, er erfährt auch immer mehr über seine eigene Vergangenheit und gerät in ein unübersichtliches Geflecht aus Verschwörungen hinein.
Die Dramaturgie des Films folgt einem klaren Perlenkettenprinzip, bei dem die Ermittlungserfolge jeweils den entscheidenden Hinweis liefern, um davon ausgehend weitere Nachforschungen anzustellen. So findet Vale ein Puzzleteil nach dem anderen, die zusammen langsam, aber beständig ein Gesamtbild ergeben. Eingestreute Verfolgungsjagden sowie Schießereien befeuern den ansonsten relativ dialogreichen Film mit den typischen Spannungsmotiven einer klassischen Genredramaturgie. Die einfache Erzählstruktur ist aber kein Nachteil, sondern eine Stärke des Films. Sie verleiht Scanners eine dynamische Kraft, weil das Geschehen ungebremst auf die finale Konfrontation hinausläuft. Dabei verhält sich der Handlungsfluss wie Wasser, das durch einen Kanal mit abnehmender Breite strömt. Die Verengung sorgt für eine Zunahme der Geschwindigkeit sowie der Wucht.

Bei Scanners wird die Verengung durch eine thematische Zuspitzung auf Wissenschaftsethik, Machtausübung und den familiären Hintergrund der Hauptfigur Vale erreicht. Cronenberg führt die moralische Dimension hinter dem fragwürdigen Scanner-Experiment und den Diskurs über die Verantwortung im Angesicht der Macht auf die persönliche Geschichte von Revok und Vale zurück. In ihrem Konflikt bündelt sich alles. Obwohl die Handlung immer enger auf die Konfrontation der beiden Charaktere zuläuft, erweitert sich mit jeder Information, die Vale gewinnt, die Dimension des Geschehens. Aus dieser gegenläufigen Entwicklung schöpft Scanners ein dramatisches Potenzial, das der schlichten, linearen Erzählung ein höheres Gewicht verleiht, als auf den ersten Blick erkennbar ist.

Darin beschäftigt sich Cronenberg unter anderem mit der Frage nach der menschlichen Natur, die unter dem Einfluss machtstrategischer Möglichkeiten sowohl zur dunklen als auch zur hellen Seite neigen kann. Die Machenschaften des Consec-Konzerns, der nur seine eigenen Interessen verfolgt und die Scanner als Mittel zum Zweck begreift, sind ebenso fragwürdig wie Revoks davon losgelöste politisch-machstrategische Pläne. Er flüchtet sich aufgrund seiner Außenseiterstellung als Scanner in eine faschistoide Ideologie, bei der er die Welt mit einer neuen Rasse beherrschen will.

Sein Gegenpol Vale hat noch alle Möglichkeiten, da er erst langsam begreift, was hinter dem Begriff "Scanner" steckt. Das Drama der beiden Figuren, deren Seelen psychische Traumata erlitten haben, spitzt sich als biblisch anmutender Bruderkonflikt zu. Sowohl Vale als auch Revok sind aus einem Experiment hervorgegangen, das in einer Beschädigung ihrer Seele mündete. Während Revoks Antwort darauf ein Missbrauch seiner Scannerfähigkeiten ist, versucht Vale im Widerstand gegen seinen Bruder Verantwortung zu übernehmen. Dadurch setzt er sich mit seiner Identität auseinander, um zu einem anderen, der dunklen Seite abgewandten Umgang mit seinen Fähigkeiten zu gelangen. Revok ist der böse Geist einer wissenschaftlichen Machtfantasie, deren Ausübung ohne ethisches Gewissen vollzogen wurde, und gleichzeitig Ausdruck der Paranoia angesichts einer unübersichtlichen Welt. Vale ist das mögliche Korrektiv.

Das Bild der Bluray ist gegenüber der bereits ebenfalls auf Bluray veröffentlichten Fassung von Spirit Media auf allen Ebenen ein Gewinn. Das liegt an der neuen HD-Abtastung. Die Schärfe konnte deutlich erhöht werden, sodass nicht nur die Konturen gut wiedergegeben werden, auch zahlreiche Details kommen gut zur Geltung. Bei einem schwarzen Rollkragenpullover, den Dr. Ruth trägt, kann man sogar einen leichten Faltenwurf erahnen. Die Farben sehen wesentlich frischer und lebendiger aus. Das tut der Atmosphäre des Films gut. Der Kontrast sorgt für eine gute Durchzeichnung, der Schwarzwert ist tief.

Der Ton liegt bei der Neuveröffentlichung nur noch im 2.0-Mono-Format vor, während die Spirit Media-Veröffentlichung DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren besaß. Das ist aber kein Nachteil, da der Upmix ohnehin über keine nennenswerten räumlichen Qualitäten verfügte. Die nun enthaltenen Tonspuren weisen ein leichtes Hintergrundrauschen auf, das sich jedoch nicht negativ auf die Verständlichkeit der Dialoge auswirkt. Sie klingen weitgehend natürlich. Beim englischen Ton mangelt es manchmal ein bisschen an Volumen, sodass die Sprache leicht höhenbetont klingt. Aber das ist nur dezent der Fall. Ansonsten unterscheiden sich deutsche und englische Fassung nicht.

Der Audiokommentar von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger stellt neben der Entstehungsgeschichte des Films vor allem Bezüge zu anderen Werken Cronenbergs her, geht auf einzelne Motive der Scanner-Handlung ein, äußert sich zur Ausstattung und zur Musik. Ein guter Kommentar.

The Ephemerol Diaries: Ein Interview mit Stephen Lack lässt gut 13 Minuten lang Hauptdarsteller Stephen Lack zu Wort kommen, der nach Scanners im Wesentlichen als Künstler gearbeitet hat. Lack spricht über die Dreharbeiten, seinen Einstieg ins Filmgeschäft während der 1970er Jahre und seine Sicht zum Wesen der Kunst. Humorvoll und erzählfreudig entwickelt sich ein schönes Interview. Der isolierte Track mit Musik und Geräuschen, eine Bildergalerie und Trailer zum Film sind auf der Bluray ebenfalls enthalten.

Scanners überzeugt als dynamischer Science-Fiction-Thriller mir Paranoia-Note, der darüber hinaus noch ein psychologisches Bruderdrama auffaltet. Vor allem die stringente Inszenierung verleiht dem Film seine Kraft. Technisch ist die Bluray sehr gut.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/scanners-ihre-gedanken-koennen-toeten