Tarantino XX – 20 Years of Filmmaking

Wilde 20 Jahre

Eine Filmkritik von Marie Anderson

In diesen Tagen war er in Berlin unterwegs, um mit Django Unchained seinen neuesten Streich in Sachen Film vorzustellen: Der US-amerikanische Schauspieler und Filmemacher Quentin Tarantino, der demnächst runde Fünfzig wird, sorgt seit über zwanzig Jahren so spektakulär wie zuverlässig für Furore auf der Kinoleinwand sowie im Filmgeschäft und wird weltweit von einer umfangreichen Fan-Gemeinde glühend als genialer, innovativer und höchst unterhaltsamer Revolutionär des modernen Films verehrt, dessen coole bis sentimentale Reminiszenzen an das Kino und die Musik vergangener Zeiten bereits Legendenruhm versprühen.
Unter dem Titel Tarantino XX – 20 Years of Filmmaking veröffentlicht Arthaus nun eine neun DVDs umfassende Edition zum Schaffen Quentin Tarantinos, die neben den sieben Regiewerken Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Jackie Brown, Kill Bill Vol. 1 & 2, Death Proof und Inglourious Basterds auch die deftige Krimi-Komödie True Romance von Tony Scott nach dem Drehbuch Tarantinos sowie eine Bonus-DVD mit einer ausführlichen Dokumentation über den Beginn und Verlauf seiner Karriere, einer lebhaften Diskussion über Jackie Brown mit Pam Grier, Robert Forster und dem Filmkritiker Elvis Mitchell und Trailer zu Django Unchained enthält.

Krachte bereits sein Regiedebüt Reservoir Dogs mit dem deutschen Zusatztitel Wilde Hunde und der längst berühmt-berüchtigten Eingangssequenz "Madonna Speech", das beim Sundance Film Festival 1992 uraufgeführt und begeistert vom Publikum gefeiert wurde, wie ein schillernder Komet mit streuendem Schweif ins Filmuniversum, war es zweifellos der Gewinner eines Oscars für das Beste Drehbuch sowie der Goldenen Palme von Cannes 1994, Pulp Fiction, der Quentin Tarantino als strahlenden Fixstern am Filmhimmel etablierte. Während Jackie Brown von 1997 zu Unrecht allgemein eher als "Sternchen" kategorisiert wurde, trumpfte der Regisseur mit seinem ausgeprägten Hang zum Zelebrieren von Brutalitäten mit Kill Bill Vol. 1 (2003) und dem zweiten Teil der Geschichte einer rigorosen Rache Kill Bill Vol. 2 (2004) erneut kräftig auf und schuf zwei gnadenlose Giganten in der Kinogalaxie, die von seiner Fan-Gemeinde frenetisch gefeiert wurden. Während Death Proof – Todsicher / Grindhouse: Death Proof von 2007 in seiner kruden Exploitation-Manier im Gegensatz zu den vorherigen Filmen keine Preise gewann und von der Kritik zuvorderst als kleines Licht mit seichtem, schäbigem Schein eingestuft wurde, ohne die wahrhaftigen Enthusiasten damit schrecken zu können, strahlte Inglourious Basterds (2009) wiederum hell im Glanze eines Oscars für Christoph Waltz als Besten Nebendarsteller auf. Bei durchwachsenen Kritiken stellt dieser Film den bisher kommerziell erfolgreichsten des schrägen Star-Regisseurs dar, der im Februar sicherlich bei der Oscar-Verleihung 2013 im Dolby Theatre in Los Angeles aufkreuzen wird, denn Django Unchained, der am 17. Januar in den deutschen Kinos startet, wurde in fünf Kategorien nominiert.

Mit seinen pfiffigen, ausgebufften Geschichten, seinen abgefahrenen Dialogen, den Darstellern seines stets außergewöhnlich engagierten Stamm-Ensembles, seiner begeisterungsfähigen, höchst versierten Crew – allen voran die Cutterin Sally Menke und der Produzent Lawrence Bender – und einigen anderen auf die Spitze getriebenen Qualitäten ist Quentin Tarantino zum Herrscher seiner ureigenen Filmwelten avanciert, in denen er sich mit unverblümtem Vergnügen und überwiegend zum Genuss eines Millionenpublikums kräftig austobt und geradezu ganz nebenbei als Avantgardist Filmgeschichte schreibt. Sowohl die zu mehrfacher Sichtung verführenden Filme als auch die ansprechend-amüsanten Extras der Edition Tarantino XX, die bereits durch ihre im Artwork-Stil präsentierte, schicke Aufmachung von Mondo Grafik besticht, stellen insgesamt ein prätentiöses Kleinod dar, das die ungezähmte, pralle Kino-Kultur der letzten zwanzig Jahre gleichermaßen repräsentiert wie konterkariert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/tarantino-xx-20-years-of-filmmaking