Der Affe im Menschen

Der alte Affe Angst

Eine Filmkritik von Lida Bach

Für den nach einem Unfall querschnittsgelähmten Athleten Allan Mann (Jason Beghe) ist Ella die Rettung vor Depressionen und Selbstmordgedanken. Für seine Krankenpflegerin Maryanne (Christine Forrest) hingegen ist sie nur "sein kleiner Dämon". Steckt die Gefährtin, die der Wissenschaftler Geoffrey (John Pankow) als Alltagsgehilfin mitbrachte, hinter den seltsamen Todesfällen in Allans Umfeld? Die Frage beschleicht auch Allan, als ihm dämmert, dass seine Mitbewohnerin allzu menschliche Gefühle hegt und die Affenspielereien von Der Affe im Menschen auch seiner neuen Freundin gefährlich werden.
Die heimliche Hauptfigur und Ursache des Schreckens in George A. Romeros Horrorwerk von 1988 ist ein Kapuzineräffchen. Wer nicht die DVD-Hülle vor Augen hat, wisse, dass die recht entfernten Verwandten des Menschen so flauschig und niedlich sind wie ihr Gattungsname. Man muss sie einfach gern haben, besonders, wenn sie wie Ella auch noch musikalisch sind. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sie ein Pärchen in dessen Liebesnest abfackeln oder eine alte Dame in der Badewanne mit einem Elektroschock abmurksen. Im Gegenteil. Diesen Sympathieüberschuss teilt der Zuschauer mit Allan, dem Ellas Morde im Grunde wohltun. Im Labor wurde sie darauf trainiert das Leben ihres Besitzers zu erleichtern. Dabei beweist sie tiefere Einsicht als Allans menschliche Helfer. Seine klammernde Mutter Dorothy (Joyce Van Patten) nutzt die Behinderung, um ihn in die Kindesrolle zurückzudrängen, sein überheblicher Arzt Dr. Wiseman (Stanley Tucci), um ihm die Freundin (Janine Turner) auszuspannen, die Allans Behinderung ohnehin abstößt.

Sie alle verletzen das Gefühl von Männlichkeit und strotzender Vitalität, das Allan anfangs zur Schau stellt, indem er mit einem Rucksack voller Ziegelsteine joggt. Dass er während der Laufrunde den verheerenden Unfall erleidet, ist nicht ohne Ironie. Abgesehen von solchen halb unfreiwilligen Zwischentönen spart Romero an dem schwarzen Humor und der bissigen Zivilisationskritik, die zu seinen Markenzeichen wurden und seine besten Filme auszeichnen. Der Affe im Menschen krankt merklich an den Einmischungen des Produktionsstudios, das lieber einen Standard-Kassenerfolg statt eines Underground-Hits wollte. Der vom Studio eigenmächtig neu geschnittene Plot macht aus Michael Stewarts Romanvorlage einen rohen Mix aus Wissenschafts- und Tierhorror, die beide in den Achtzigern eine Hochphase erlebten. Eine Hirnzellentransfusion ermöglicht eine Art telepathischer Verbindung zwischen Ella und ihrem Besitzer, der in seinen Alpträumen sein Umfeld durch Affenaugen sieht.

Die Warnung vor den eigenen animalischen Trieben verkehrt sich in eine vor einer heimtückischen Natur, die sich gegen den Menschen wendet, wenn er nicht seine Überlegenheit behauptet. Dabei entspringt der Schrecken in Wahrheit nicht dem Bestialischen, sondern dessen übertriebener Domestizierung. Bedrohlich ist nicht "Der Affe im Menschen", sondern der Mensch im Affen. Ella beherrscht nicht Allan, sie wird buchstäblich sein Werkzeug: zuerst in der Alltagsbewältigung, dann beim Abreagieren seiner Wut. Letztere richtet er schließlich gegen Ella, die seine verdrängten Charakterzüge verkörpert. Das Ende verrät einen Ansatz von der für Romero typischen Zwiespältigkeit, denn letztendlich bringt Ella Allans Genesung entscheidend voran. Ähnlich brachte Der Affe im Menschen Romero immerhin dazu, sich nach der ernüchternden Studio-Erfahrung wieder eigenen Pfaden zuzuwenden. Das versöhnt Fans wenigstens teilweise mit dem filmischen Affentheater, das nicht ohne Grund in mancher Romero-Sammlung fehlt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/der-affe-im-menschen