I Melt with You

Noch einmal 19 sein

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Mark Pellingtons (Arlington Road) Film I Melt with You ist wirklich kühnes; zugleich auch mutiges und offensives Kino. Der Film stellt die Frage, welchen Wert die Träume haben, die man als junger Mensch hegt. Indem er vier Männer inmitten ihres verzweifelten Versuchs zeigt, die Uhr zurückzudrehen, zwingt er auch den Zuschauer, den Blick auf sich selbst zu richten und sich zu fragen: Habe ich meine Träume verraten?
Richard (Thomas Jane), Ron (Jeremy Piven), Jonathan (Rob Lowe) und Tim (Christian McKay) sind alte Freunde aus College-Zeiten, die sich seit Jahrzehnten einmal im Jahr für eine Woche treffen, um die alten Zeiten aufleben zu lassen. Sie sind Mittvierziger, deren Leben nicht so verlaufen ist, wie sie sich das früher einmal vorgestellt hatten. Wirklich am Leben sind sie nur noch in dieser einen Woche, in der sie einander treffen und sich wie früher geben: mit Drogen, Alkohol, Frauen, Feiern. Aber dann holt sie ein Versprechen ihrer Vergangenheit ein – und nichts ist mehr, wie es war.

Was sich anfangs wie eine Geschichte geriert, bei der "nur" Männer in ihrer Midlife-Crisis zu sehen sind, die mit ihrem jährlichen gemeinsamen Urlaub an der Jugend von einst festhalten wollen, entwickelt sich I Melt With You zur Halbzeit in eine unerwartete Richtung. Urplötzlich nimmt er einen düsteren Ton an und wird gänzlich unvorhersehbar, bleibt aber seiner Geschichte erstaunlich konsequent treu. Es ist elektrisierend zu beobachten, welche Entscheidungen die Protagonisten treffen.

I Melt With You wirft einen harten, klinisch kalten Blick auf das Leben seiner Figuren. In kurzen Momenten wird klar, dass ihrer aller Leben nicht das geworden ist, das sie sich einst vorgestellt hatten. Das ist eine der bitteren Wahrheiten des Lebens, denen sich nur die wenigsten Menschen stellen wollen - dieser Film aber zwingt dazu. Es geht um das Bedauern, das mit dem Aufgeben alter Träume einhergeht. Über allem steht die Erkenntnis, dass dieses Vergessen so schleichend passiert und man sich dessen gar nicht bewusst ist.

Verstörend und überzeugend zugleich, ist Mark Pellingtons Film ein inhaltlicher und visueller Triumph. Die Schönheit von Big Sur steht im krassen Gegensatz zur immer schmerzlicher werdenden Geschichte. Pellington und Kameramann Eric Schmidt fangen das delirierende Geschehen in prächtigen Bildern ein, die die emotional mitnehmende Wirkung noch unterstreichen. I Melt With You ist kein Film, den man genießt, aber einer, den man nicht so schnell vergisst.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/i-melt-with-you