Am Ende der Nacht

Bis zum Morgengrauen

Eine Filmkritik von Lida Bach

Elizabeth und Johnny sind ein Paar wie Tag und Nacht. Er sehnt sich nach Treue, seine junge Bekannte (Rachel Miles) füllt ihre innere Leere mit beiläufigen Affären. Eine davon ist Johnny. Der Einzelgänger (Matthew Stiller) versteckt sich hinter einer Mauer aus Schüchternheit vor den Avancen der hübschen Fremden, auf die ihn sein Kumpel Jake bei einem Barbesuch aufmerksam macht. Instinktiv flüchtet Johnny, doch es gibt kein Entkommen für die Nachtgestalten von Brad Ellis unheilvollem Liebesdrama. Auf dem Weg aus der Bar läuft Johnny Elizabeth in die Arme - und damit auch ihrem gemeinsamen Schicksal.
Die Protagonisten der düsteren Romanze sind in mehrfachem Sinne verlorene Seelen. Am meisten gilt das für Elizabeth, die sich unter ihrer Abgebrühtheit dennoch eine Spur Mitgefühl bewahrt hat. Gerade das macht sie verwundbarer als ihr Umfeld, dem sie sich als verbitterte Zynikerin präsentiert. Die unstete Frau lebt in einem stetig verkommenden Stadtteil von Memphis bei ihrer Mutter. Die betäubt ihre Einsamkeit nach dem Verschwinden von Elizabeths Vater mit ihrem schmierigen Freund. Der gewalttätige Alkoholiker wiederum richtet seine Frustration gegen seine Frau und die Stieftochter. Ob sie erbärmlich sind wie Elizabeths Stiefvater Tim, zwielichtig wie ihr heimlicher Beobachter Seth oder bedrohlich wie dessen anziehende Begleiterin Raven (Rachel Kimsey) - alle teilen sie das gleiche Gefühl: Einsamkeit. Die emotionale Haltlosigkeit bringt die Figuren nicht nur zusammen, sie treibt sie in entscheidenden Situationen auseinander. So kann es Elizabeth nicht ertragen, dass Johnnys Zuneigung nicht rein sexuell, sondern ernsthaft ist.

Mit dem Alleinsein haben sich die Charaktere arrangiert. Schlimmer als Einsamkeit ist die Angst verlassen zu werden, die eine feste Bindung mit sich bringt. Elizabeth will vor dieser Angst weglaufen, wie Johnny anfangs vor Elizabeth und vor Jahren Elizabeths Vater. Als der entpuppt sich der im Hintergrund um die Figuren streunende Seth. Er entzog sich damals einer Verantwortung, der er auf morbide Weise nachzukommen versucht, als Johnny nach einem Streit mit Elizabeth einen Autounfall erleidet. Zum Ausgleich dafür, dass er der Tochter den Verlust eines Elternteils zumutete, will Seth ihr den Verlust des Liebsten ersparen. Den drohenden Tod kann er nicht umkehren, nur pervertieren, indem er Johnny zu dem macht, was er selbst ist: ein Vampir. Allen Gardner ist in der Rolle des zerrissenen Seth sowohl Elizabeths biologischer als auch ihr geistiger Vater als Drehbuchautor der fragmentarischen Geschichte. Als Romanze zwischen Vampir und Mensch, in der Instinkte zur Metapher für den erwachenden Lusttrieb werden, klingt Am Ende der Nacht / Daylight Fades gefährlich nach Twilight.

Dass der Titel der Kinoreihe nach Stephenie Meyers Romanen die gleichen Lichtverhältnisse benennt wie das Horrordrama im Original, scheint ein weiterer Verweis auf Ähnlichkeiten. Tatsächlich jedoch spricht aus den Titeln die Verschiedenheit. Twilight beschreibt ein in Zeitpunkt und Dauer unbestimmtes Patt zwischen Hell und Dunkel. Daylight Fades schildert einen Übergangszustand, der zugleich Verlust ist. Statt keuscher Vegetarier sind Ellis' Vampire Raubtiere, die ihrem Jagdtrieb ausgeliefert sind. Johnnys wachsender Blutdurst ist die Kehrseite seiner vorherigen Zurückhaltung, die eine Art Selbstbestrafung scheint. Wie Elizabeth und Seth zwingt er sich zu einer Einsamkeit, die allen Figuren bevorsteht. Ein düsterer Morgen erwartet sie am Ende des Videohorrors, der trotz dramaturgischer Schwächen und einem sichtlich geringen Budget stimmiger ist als seine Genre-Verwandten im Kino-Mainstream.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/am-ende-der-nacht