Die neunschwänzige Katze (1971)

Argentos zweiter Giallo - endlich gestochen scharf

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Auf DVD gibt es Die neunschwänzige Katze schon länger, CMV hat den Film nun jedoch auf Blu-ray veröffentlicht. Für die HD-Abtastung wurde das originale Negativ genutzt, was zu einer hervorragenden Bildqualität geführt hat. Dies allein wäre schon genug, aber die Veröffentlichung im Media-Book enthält auch noch ein paar interessante Extras.

Der blinde Franco (Karl Malden) lebt mit seiner Nichte zusammen. Bei einem Spaziergang hört er ein seltsames Gespräch zweier Männer, die sich vor einem Labor für genetische Forschung aufhalten. Es geht um Erpressung. Noch in derselben Nacht geschieht ein Mord. Zusammen mit dem Reporter Carlo (James Franciscus) untersucht Franco die Sache.

Nach Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe / L'uccello dalle piume di cristallo (1969)ist Die neunschwänzige Katze Dario Argentos zweiter Film – und erneut ein Giallo, der dem Lieblingsthema des Regisseurs vorbehalten ist: der Gewalt. Argento hat eine recht verworrene Geschichte entwickelt, die jedoch in mancherlei Hinsicht etwas konventioneller ausgefallen ist. Auch das mag ein Grund sein, warum der Regisseur den Film in der Retrospektive weniger schätzt.

Zudem war Die neunschwänzige Katze weniger erfolgreich als sein Vorgänger. Er verzettelt sich in einer komplexen Geschichte und verschiedenen Handlungssträngen, bleibt aber durchgehend spannend. Die Frage, was es mit dieser Geschichte auf sich hat, ist derart intensiv gestellt, dass man als Zuschauer nicht anders kann, als in ihren Bann gezogen zu sein. Argento stützt sich dabei auf pseudowissenschaftliche Erkenntnisse, die – das erzählt er selbst auch in dem auf der Blu-ray enthaltenen Interview – absolut abstrus und in keiner Weise wahr sind. Aber sie geben eine gute Grundlage für die Geschichte her. Immerhin erlaubt die Frage danach, ob doppelte Y-Chromosomen Gewalttätigkeit bei Männern vorherbestimmen und sie damit quasi schuldfrei machen, da sie sich dem Drang nicht widersetzen können, einen Diskurs, ob das Böse dem freien Willen oder dem genetischen Zwang verpflichtet ist.

Technisch steht der Film seinem Vorgänger, aber auch einigen Nachfolgern in nichts nach. Argento erweist sich als Naturtalent, was das Erzeugen von Atmosphäre betrifft. Und er hat visuelle Ideen, die die konventionelle Erzählform aufbrechen, darunter auch die eine oder andere Hommage wie das Tragen der Milchgläser, das sofort Erinnerungen an eine ähnliche Szene in Hitchcocks Verdacht weckt.

Das Bild ist scharf, farbintensiv und nur mit leichtem natürlichem Rausch versehen. So gut sah Die neunschwänzige Katze noch nie aus. Der Film liegt in zwei Fassungen vor. Man kann die knapp zwei Stunden lange Originalfassung ansehen, bei der die bis dato fehlenden englischen Teile untertitelt sind, oder die deutlich kürzere deutsche Fassung. Zu empfehlen ist erstere, da einige der entfernten Sequenzen durchaus wichtig sind. Ein paar wurden aber wohl auch entfernt, weil sie den Fluss des Films etwas stoppen. Im Bonusmaterial sind weitere Szenen, die es nur in der deutschen Fassung gab, enthalten. Außerdem gibt es ein Interview mit Dario Argento, Dardano Sacchetti und Ennio Morricone und Karl Malden und James Franciscus kommen in Radio-Interviews zu Wort.

Die neunschwänzige Katze ist nicht Argentos bester Giallo, aber immer noch ein guter Film und vielen Vertretern des eigenen Subgenres überlegen. Denn auch ein schwächerer Argento ist immer noch ein guter Argento – zumindest, wenn man das Alterswerk des Regisseurs ausklammert…
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-neunschwanzige-katze