Skinheads 88

Russland den Russen

Eine Filmkritik von Peter Osteried

In Russland wurde Skinheads 88 verboten. Anders als noch zu kommunistischen Zeiten bedeutet dies lediglich ein Aufführungsverbot im Kino und im Fernsehen. Auf DVD gibt es ihn auch in seiner Heimat. Sieht man den Film, kann man sich des Verdachts nicht erwehren, dass das Verbot zustande kam, weil man nicht mag, wie die russische Gesellschaft hier dargestellt wird.
Die liebste Beschäftigung der Moskauer Skinhead-Gang "Russland 88" und ihres Anführers Sascha (Petr Fedorov) ist das „Klatschen“ von Ausländern. Mit den typischen Parolen der rechten Szene daherkommend, stürzen sie sich auf jeden, der anders ist. Ihr Treiben dokumentieren sie mit Videos, die sie ins Internet stellen. In der Familie hat Sascha Probleme, da sein Vater von ihm enttäuscht ist und seine Schwester Julia sich nur über ihn lustig macht. Als er dann erfährt, dass Julia mit einem Ausländer zusammen ist, sieht Sascha rot.

Der Film ist in Form einer Dokumentation gestaltet. Was auch immer geschieht, der "Jude" ist dabei, um es aufzunehmen. Der "Jude", so nennen seine Kumpels den Filmemacher, weil dessen Vater jüdischen Glaubens ist. Er selbst bezeichnet sich als Faschist und stellt im Verlauf des Films auch jedem die Frage: "Wie wurdest Du zum Faschisten?"

Eine Antwort bleibt der Film schuldig. Man kann sie zwischen den Zeilen finden, stößt dabei aber nicht auf ein russisches, sondern ein allgemeingültiges Problem. Immer dort, wo Trostlosigkeit und Tristesse zunehmen und die Perspektiven für die junge Bevölkerung immer schlechter werden, kann man beobachten, wie sich manche (viele?) radikalisieren lassen. Die Parolen sind dabei immer gleich: "Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg, Russland den Russen."

Im Grunde erzählt Skinheads 88 nichts Neues. Aber die Unmittelbarkeit, mit der er seine Geschichte ausleuchtet, wirkt nach. Der Kunstgriff der Dokumentation – oder vielmehr: des rohen Materials, das einmal eine Dokumentation werden soll – lässt das Geschehen authentischer wirken als es jeder traditionelle Erzählansatz jemals könnte. Der Film bleibt dabei nüchtern. Er weckt nie Sympathie für seine Figuren, sondern bildet ab, wie sie sich in ihrem Umfeld bewegen und wie sehr sie eigentlich außerhalb der Gesellschaft stehen.

Erst am Ende gerät der Film aus dem Ruder. Er möchte mit einem finalen Paukenschlag abschließen, verliert sich dabei aber in seiner überzogenen Darstellungsweise. Was ein schlussendlicher dramatischer Paukenschlag sein sollte, verpufft, weil Skinheads 88 plötzlich nicht mehr wie eine Dokumentation anmutet, sondern vom Wunsch seiner Macher, eine Geschichte ihrem Höhepunkt entgegenzuführen bestimmt wird. Was zuerst wie eine glaubwürdige Dokumentation erscheint, fällt dann, wenn man so will, schlagartig auf das Niveau von Scripted-Reality-Formaten des Privatfernsehens herunter.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/skinheads-88