Liebe und andere Kleinigkeiten

Der Wahnsinn und die Waschbären

Eine Filmkritik von Rajko Burchardt

"Mein Untergang begann an einem märchenhaften Tag", heißt es zu Beginn von Liebe und andere Kleinigkeiten mit einem Voice-Over, der in seiner Sanftheit ganz gezielt falsche Wohlfühlkinofährten legt. Wenn im Leben etwas gehörig schief laufe, so der Gynäkologe Jeff Lang (Idealbesetzung: Tobey Maguire), müsse man den kleinen Dingen Beachtung schenken. Jenen winzigen Details, die die Katastrophe erst heraufbeschwört hätten. Genau ihnen nämlich hat Jeff, und dessen wird er sich bald schmerzhaft bewusst, nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen lassen. Viel zu lange ignorierte er die unpassenden Teilstücke seines beruflichen und privaten Lebens, die kleinen falschen Entscheidungen, die sich nun zu einem Unglück verdichten, das weniger mit Pech als vielmehr einem ziemlich verdorbenen Charakter zu tun hat.
Alles, was ihm im Laufe dieses Films passieren werde, habe er selbst zu verantworten, sagt Jeff. Dieses niedlich dreinblickende, aber doch recht veritable Arschloch. Eine Waschbärenplage leitet das Fiasko schließlich ein. Jede Nacht machen sich die Racker unbemerkt über Rasen und Bewässerungsanlage her und frisieren Jeffs mühsam gefertigtes Gärtchen mit einer systematischen Unordnung, die natürlich als ebenso symbolische wie epische Vorausdeutung kommender Ereignisse gelten darf. Der Arzt versteigt sich daraufhin derart in die Beseitigungsversuche der putzigen Tierchen, dass seine entnervte Frau Nealy (Elizabeth Banks) ihn bald schon einen "fucking deranged moron" schimpfen muss.

In der gemeinsamen Ehe der beiden ist allerdings schon länger nicht mehr viel los, obwohl die junge Familie sich gerade erst ein neues Haus gekauft (und sich damit gegen eheliches Unglück versichert) hat. Als Jeff einen Seitensprung mit Freundin Rebecca (Kerry Washington) begeht, fordert ihn deren Ehemann Peter (Ray Liotta) auf, für diesen und andere Fehler Verantwortung zu übernehmen. Doch dafür ist es eigentlich schon zu spät: Auch mit seiner leicht verqueren, unberechenbar infantilen Nachbarin Lila (eine unglaubliche Performance von Laura Linney!) ging Jeff fremd – und die ist, "ach übrigens", schwanger.

Verketteter Schlamassel, wie er zufällig wirken mag, der aber eben doch voller winziger, verheerender, sich nun gegenseitig bedingender Details steckt. Jeffs Lügen und Verstrickungen bilden dabei lediglich einen Vorgeschmack auf die bitterbösen Pointen, die der Film noch für ihn bereithalten wird. Gleichwohl sich Liebe und andere Kleinigkeiten (der viel treffendere Originaltitel lautet The Details) leicht als schwarze Komödie umschreiben ließe, handelt es sich doch um einen gerissenen Genre-Bender. Er ist so hundsgemein komisch, dass man gar nicht lachen mag, und so traurig-absurd, dass sich jede Rührseligkeit von selbst verbietet. Diese Unbestimmtheit versteht Regisseur und Drehbuchautor Jacob Aaron Estes ganz wunderbar zu seinem Vorteil zu nutzen: Den mörderischen Höhepunkt etwa konterkariert er mit einem freudvollen Gottesdienst, zu dem das Komponistenduo Tomandandy wiederum hochdramatische Streicher einwirft.

Sieben Jahre Auszeit gönnte sich Jacob Aaron Estes nach dem gefeierten Mean Creek, bevor er mit Liebe und andere Kleinigkeiten seinen erst zweiten Film inszenierte. Es ist großartig, wie er diese aberwitzige Geschichte weder mit fatalistischer Melodramatik noch garstigem Zynismus erzählt. Ganz seltsam bleibt er zwischen den Dingen, ganz eigensinnig schlägt er immer wieder irritierende Töne an. Wenig verwunderlich, dass die hinter der Produktion steckende Weinstein Company damit offenbar nichts anzufangen wusste. In den US-Kinos ist der Film, nach entsprechend irreführender Vermarktung, zumindest grandios gefloppt. Und erscheint hierzulande mit dreijähriger Verspätung lediglich auf DVD und Blu-ray.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/liebe-und-andere-kleinigkeiten