The Iceman

Morde, die kalt lassen

Der Archetyp des "American Gangster" repräsentiert immer noch den Motor eines gesamten Genres, welches sich einer konstanten Beliebtheit erfreut. Nach zwei Dokumentationen und diversen Publikationen bietet sich nun die "wahre Geschichte" des eiskalten Auftragskillers Richard Kuklinski, der für den Mord an schätzungsweise 100 bis 250 Menschen verurteilt wurde, als Spielfilm an. Herausragend verkörpert von Boardwalk Empire-Mime Michael Shannon, gelingt es Regisseur Ariel Vromen dennoch nicht, dem gewollten Epos über einen Massenmörder von Nebenan genug psychologischen Tiefgang zu verleihen, dass er über einen soliden Genrefilm hinaus ginge.
Die Sopranos beschäftigten sich bereits äußerst gelungen und differenziert mit dem Übergang vom Gangsters als reinem Outlaw zum Mobster mit Vorgarten und Familie, der neben seiner unauffälligen Fassade Teil einer Parallelgesellschaft ist. Auch The Iceman teilt diese Faszination vom delinquenten Abgrund hinter bürgerlichen Gardinen und geht der Frage nach, wie der ansonsten unauffällige Kuklinski, Sohn polnischer Einwanderer in New Jersey, es geschafft hat ein derart morbides Doppelleben aufrecht zu erhalten.

Quellen gibt es dazu genügend – der verurteilte Mörder legte seine Taten in der Haft bereitwillig offen und arbeitete sogar mit einem Biografen zusammen. Aber statt den wirklich interessanten Hintergrund zu beleuchten, was eigentlich in diesem Menschen vorgegangen sein mag und wie es zu dieser mörderischen Karriere kommen konnte, liefert Vromen dem Zuschauer nur eine Aufsicht, die stellenweise sogar verklärend wirkt.

Auch die Besetzung von Ray Liotta, der wie immer das spielt, was er am besten kann, unterstreicht die Intention sich am Legendären zu orientieren – was in diesem Fall allerdings besonders unpassend wirkt, denn Kuklinski hat nichts von einem großen Paten oder Unterweltskönig, es ist keine Geschichte von Aufstieg und Fall, sondern die eines extrem pathologischen Menschens, der es weder zu großem Glanz und Reichtum gebracht hat, noch zu Macht - nur zu einer Vielzahl von Toten.

Während Die Sopranos es beispielsweise geschafft haben, die Dekonstruktion des Gangster-Mythos mit einer intensiven Betrachtung der innerfamiliären Hervorbringung von Gewalt und Pathologien zu verknüpfen, beleuchtet The Iceman Kuklinskis Herkunft nur in einigen kurzen Szenen, dabei ist es sogar dokumentiert, dass sein Vater einen seiner Brüder zu Tode geprügelt hat. Vromen interessiert sich allerdings mehr für die aufstrebende Karriere Kuklinskis im kriminellen Milieu und dessen Engagement als Auftragskiller für diverse New Yorker Familien. Aufgrund seiner völligen emotionalen Ungerührtheit etabliert er sich schnell im Gewerbe, doch den Spitznamen "The Iceman" erhält er erst später, nachdem er mit seinem Partner Robert 'Mr Softee' Pronge (Chris Evans) seine Opfer in einem Eiscreme-Wagen kaltstellt, um sie erst Monate später zu entsorgen, wenn die Kälte den Zeitpunkt des Todes kaum noch bestimmen lässt.
In Nebenrollen sind James Franco und Friends-Star David Schwimmer zu sehen, deren kurze Auftritte, wie verschwendet wirken.

Das eigentlich Kuriose an Kuklinski ist weniger die Anzahl seiner Morde (auch wenn diese schon recht enorm ist), sondern die Frage, wie das mit einem Leben als liebender Familienvater und Ehemann zusammen geht. Bereits recht früh entscheidet er sich die zierliche Deborah (Winona Ryder) zu heiraten und mit ihr ein völlig konformes Dasein inklusive Kindergeburtstage und Rasensprenkler zu führen, das mit seinem "Arbeitsleben" kaum interferiert.

Nur einmal eskaliert die Gewalt auf unkontrollierte Art auch zuhause, doch es fällt schwer zu glauben, dass Kuklinskis Frau, die von Ryder blass und konturlos gespielt wird, all die Jahre nie etwas geahnt haben will, von der tatsächlichen Beschäftigung ihres Mannes.

So nimmt man die Wendungen der Geschichte zwar zur Kenntnis, doch Vromen verpasst es, den Zuschauer wirklich in die komplexe gespaltene Psyche Kuklinskis zu verwickeln. Der wie immer großartige Michael Shannon ist der einzige, der diesen ansonsten sehr durchschnittlichen Film überhaupt sehenswert macht, sein intensives Spiel zwischen ruhiger Empathielosigkeit und rasender Wut lassen zumindest erahnen, welches Trauma sich hinter seinen unfassbaren Verbrechen verbirgt.

(Silvia Bahl)

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/the-iceman