Bernie - Leichen pflastern seinen Weg

Eine schelmische Satire

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Da berichten zahlreiche Bewohner der texanischen Kleinstadt Carthage wohlwollend bis begeistert von der Persönlichkeit und den Fähigkeiten des allseits beliebten Bestatters Bernie Tiede (Jack Black), der sich mit unerschütterlicher Sorgfalt und Leidenschaft um die Toten und auch die Lebenden des Örtchens kümmerte. In dieser retrospektiven Form wird mit reichlich satirischem Unterton auf volkstümliche Weise die Geschichte eines Mannes rekonstruiert, die auf einem Artikel im Texas Monthly Magazine beruht, der Skip Hollandsworth zum Drehbuch von Bernie – Leichen pflastern seinen Weg inspiriert hat. Daraus ist eine bissige, stimmungsvolle Komödie unter der Regie von Richard Linklater entstanden, die auf anschauliche, dynamische und unterhaltsame Art moralische Themen präsentiert, die geradezu herausfordernd nach ihrer humorträchtigen Ironiesierung verlangen und diese hier auch prompt erhalten.
Was den Umgang mit Tod und Leichen betrifft, ist Bernie eine Koryphäe: Mit Sorgfalt und Empathie nimmt er die notwendigen und wünschenswerten Verrichtungen am toten Körper vor, begleitet mit professioneller Fürsorge die Trauernden und organisiert eine würdige Zeremonie des Abschieds und der Bestattung, bei welcher er höchstpersönlich als Trauerredner sowie als beseelter Interpret von Gospelsongs auftritt. Auch nach der Beerdigung noch tröstet der sympathische Bernie die Hinterbliebenen durch kleine Gesten der Aufmerksamkeit und Anteilnahme, und es sind zuvorderst die weitaus älteren Witwen, um die er sich offensichtlich ganz besonders gern kümmert. Als der Mann der griesgrämigen Marjorie Nugent (Shirley MacLaine) das Zeitliche segnet und seiner Frau ein ansehnliches Vermögen hinterlässt, entsteht zum Unverständnis der braven Bürger von Carthage allmählich eine innige Freundschaft zwischen Bernie und der misanthropischen Alten, die sich zunächst zwar gegen seine Zuwendung sträubt, ihn dann aber umso rigoroser ganz für sich vereinnahmt. So teilt das extrem unterschiedliche Paar seinen Alltag, besucht kulturelle Veranstaltungen und geht auf Reisen, finanziell unterhalten von der wohlhabenden, auflebenden Marjorie und atmosphärisch vom aufopfernden Bernie, der sichtlich froh ist in dieser Verbindung. Als die Witwe allerdings dazu übergeht, allzu gefälliges, unterwürfiges und ausschließlich ihr geltendes Gebaren von ihrem jungen Freund zu erwarten, geht der gutmütige, sanfte Bernie innerlich auf Distanz, bis ihn bei einem heftigen Streit unvermittelt eine Mordswut anfällt ...

Bei heiterer Grundstimmung und ebensolcher Musikuntermalung mit Songs wie "Love Lifted Me", "Just As I Am" und "Swing Low, Sweet Chariot" kommt Bernie – Leichen pflastern seinen Weg als fiktive Interview-Dokumentation daher, und es ist nicht zuletzt diese abwechslungsreiche Präsentation der geschwätzigen Gutmenschen von Carthage, die diesen witzigen Film zu einer unterhaltsamen Satire mit kräftigen Hieben auf die moralischen Untiefen der Protagonisten geraten lässt. Einerseits oszilliert hier der Umgang mit Tod und Trauer ansprechend zwischen derber Komik und taktvoller Feinfühligkeit, andererseits werden augenzwinkernd gängige Klischees sozialer Mikromosmen karikiert, wobei die drastische Botschaft dahingehend transportiert wird, dass einem wahrhaft guten Menschen auch ein Mord ohne weiteres verziehen werden kann. Das ist reichhaltiger, tiefgründiger Stoff in leichtem Gewand, der durch seine herrlichen Details und seine sorgfältige Inszenierung überzeugt, die mit zahlreiche Nominierungen und Preisen ausgezeichnet wurde, vor allem auch von Seiten der Filmkritik.

Die annähernd achtzig Jahre alte Shirley MacLaine ist erwartungsgemäß eine regelrecht unverschämt passende Besetzung für die resolute Witwe, während Jack Black als braver Bestatter einen überraschenden Glücksgriff darstellt und ohne alberne Übertreibung ein Schauspiel hinlegt, dass ihn sozusagen zu einem Prototypen des hilfsbereiten Helden von Nebenan werden lässt, der sich selbstverständlich auch im Knast noch sozial engagiert. Mehr Menschen wie Bernie müsste es geben, fordert eine energische Lady aus Carthage im Abspann und bringt damit noch einmal treffend die allseits keimende Korruption zum Ausdruck, die Sympathie vor Recht ergehen lassen will. Doch in dieser Hinsicht kennt die Geschichte letztlich keine Gnade, und wenn sich am Ende Bedauern über das Schicksal von Bernie ausbreitet, zählt dieser Effekt zu den anregenden Ambivalenzen dieses schelmischen Stückes.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/bernie-leichen-pflastern-seinen-weg