ATM - Tödliche Falle

Lohn der Angst

Eine Filmkritik von Lida Bach

„Im Leben geht es um Entscheidungen. Eine schlechte kann alle guten, die du je gemacht hast, zunichte machen.“ Die Bedeutung der dahingesagten Worte erkennt Corey vielleicht durch die Glaswand des titelgebenden Bankautomatenraums, in den ATM - Tödliche Falle den jungen Finanzberater (Josh Peck) und seine Kollegen David (Brian Geraghty) und Emily (Alice Eve) sperrt. Vielleicht bleibt sie ihm, obwohl direkt vor den Augen, dennoch verborgen; ebenso wie das kapuzenbedeckte Gesicht des Fremden, der in David Brooks klaustrophobischem Stalker-Thriller vor dem Automatenschalter lauert und abwartet. Bis eines seiner Opfer eine Entscheidung trifft – eine von der Sorte, die Corey fürchtet.
Entscheidungen abzuwägen ist die berufliche Aufgabe der drei Investmentbanker im minimalistischen Setting des unterkühlten Horror-Thrillers. Ihr Versagen darin führt Regisseur Brooks exemplarisch vor, indem er sie von der fiskalischen auf die physische Ebene verlegt. Der Überlebenskampf des Protagonisten-Trios wird zum Sinnbild eines psychischen Qualifikationstests, in dem eine Fehlentscheidung statt der Existenz eines Anlegers ihre eigenen zerstören kann. Der erste fatale Entschluss ist der Davids, nach der Firmenweihnachtsfeier Emily nachhause zu fahren. Der zweite jener von Emily, von dem Angebot Gebrauch zu machen, genau wie Davids ungebetener Kumpel Corey. Die vierte treffen alle drei gemeinsam und jeder für sich, als sie einen elektronischen Bankschalter betreten. Der Geldautomat steht verwaist auf einem kargen Parkplatz, als würde er nur auf seine späten Kunden warten. Warten in stillem Einvernehmen mit dem dunklen Unbekannten, der unvermittelt vor der Automatenkabine auftaucht.

"Er beobachtet uns nur", sagt Corey über die anonyme Bedrohung, in deren mitleidlosem Blick sich der des Zuschauers bricht. Eine Fehlspekulation in einer nicht abreißenden Kette von Fehlern, deren eklatante Absurdität von der dramaturgischen Logiklücke unabsichtlich zum grausamen Witz reift. Das Lachen vergeht dem glatten Yuppie-Trio, das selbst für seine Missgriffe zahlt anstelle der Klienten, die zu vertrösten zu Davids Jobroutine gehört. In seinem Regiedebüt inszeniert Brooks die synthetische Kulisse des Drehbuchautors Chris Sparling als perfides Gefängnis aus Metall, Kunstlicht und Plexiglas. Der Glassarg ist das technologische Pendant des Grabes, in dem der Drehbuchautor seinen Hauptcharakter in Buried - Lebend begraben einschloss. Der zugleich skurrile und alltägliche Handlungsort, der nur eine der möglichen Übersetzungen der Titelabkürzung darstellt, die berufliche Verbindung der Banker dazu und der von Konsum und Konsumkritik überschattete Zeitrahmen verheißen eine sozialwirtschaftliche Parabel. Doch die Allegorien, die das monetäre Mordszenario offeriert, bleiben schemenhaft und undefiniert wie die Identität des Angreifers im Winterparka.

Die Frage, ob die von seiner Unkenntlichkeit ausgehende Bedrohung nur gefühlt oder real ist, beantwortet der unheimliche Fremde mit dem Mord an einem Passanten. Auf deren Schutz ist kein Verlass in den Frühstunden eines der letzten Tage vor dem Weihnachtsfest, dessen Nahen die Eröffnungsszene verkündet. Sie zeigt den Killer in einem Kontrastbild zur Betriebsfeier bei seiner Arbeit. Als solche erscheint die Tatplanung zu den Klängen von Stille Nacht, heilige Nacht: "Alles schläft, einsam wacht..." Die dezidierte Verknüpfung von Besinnlichkeit, Systematik und Kaltblütigkeit bleibt einer der losen Angelpunkte des grobmaschigen Horror-Thrillers, der ebenso durch sein Potenzial fesselt wie er durch dessen Missachtung frustriert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/atm-todliche-falle