Die süße Haut

Die Geschichte einer heimlichen Liebesaffäre

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der renommierte französische Literaturkritiker Pierre Lachenay (Jean Desailly) reist nach Lissabon, um dort einen Vortrag über Balzac zu halten. Im Fahrstuhl des Hotels begegnet ihm in der Nacht die mädchenhafte Stewardess Nicole (Françoise Dorléac) aus dem Flieger wieder, und nachdem die beiden sich einander angenähert haben, verbringen sie ein paar zärtliche Stunden miteinander. Zurück in Paris bei seiner Frau Franca (Nelly Benedetti) und seiner kleinen Tochter Sabine (Sabine Haudepin) vagabundieren Pierres Gedanken permanent zu Nicole, die er schließlich anruft – und damit beginnt eine heimliche Liebesaffäre, die sich schleichend, aber zielsicher auf eine Katastrophe zu bewegt.
Die süße Haut lief 1964 im Wettbewerb um die Goldene Palme bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, konnte dort aber kaum überzeugen und erscheint nach Filmen wie Sie küssten und sie schlugen ihn / Le quatre cents coups, Schießen Sie auf den Pianisten / Tirez sur le pianiste und Jules und Jim / Jules et Jim, die François Truffaut in den Jahren zuvor inszeniert hatte, durchaus ein wenig banal und bieder, ausgenommen das drastische Ende. Die Beziehung zwischen Pierre und Nicole verläuft recht typisch für derartige Verhältnisse: Von der anfänglichen Euphorie über die verliebte Harmonie bis zu kleinen Unstimmigkeiten und schließlich zu offenen Konflikten.

Dennoch zeichnet sich die zunächst sanfte, dann zunehmend durch Unbehagen und Streitigkeiten durchsetzte Atmosphäre dieses ästhetisch ansprechenden Schwarzweißfilms durch die intensiven Bilder von Kameramann Raoul Coutard und die tragende Musik von Georges Delerue aus; zwei Filmschaffende, die zu den bedeutenden Weggefährten François Truffauts gehören und bei einigen seiner Filme mitwirkten. Auch die Positionierung der Figur des Pierre Lachenay zwischen seiner stil- und selbstsicheren Ehefrau Franca und der einerseits schutzbedürftig wirkenden, andererseits spielerisch unbekümmerten jungen Nicole gelingt hier sehr differenziert, so dass die Tragik am Ende schlüssig erscheint.

Angesichts der vom Regisseur postulierten Authentizität filmischer Geschichten und seiner autobiographischen Ausrichtung einiger seiner Filme lässt sich Die süße Haut auch als Absage François Truffauts an die Dauerhaftigkeit einer romantischen Liebe im klassischen Sinne verstehen, die hier für den immer hilfloser agierenden Helden derbe scheitert. Die junge Geliebte fordert einerseits ein sicheres Territorium für die Beziehung, verweigert sich dann aber doch konkreten Konsequenzen, während die Ehefrau zur Kämpferin wird und letztlich explodiert, als ihr bewusst wird, dass sie im Sumpf der Unaufrichtigkeit und lauen Unentschlossenheit ihres Mannes watet. Keine großen Weisheiten in Liebesdingen, aber dennoch ansprechende Unterhaltung.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-susse-haut