Tisch und Bett

Die Ehe des Antoine D.

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Sie haben tatsächlich geheiratet, und die junge Ehefrau behauptet bei jeder Gelegenheit ihren Stolz darauf, nun keine Mademoiselle mehr, sondern eine Madame zu sein: Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud) und Christine Darbon (Claude Jade), die sich nach einigen Umwegen im dritten Teil des Antoine-Doinel-Zyklus, Geraubte Küsse / Baisers volés, doch noch verbindlich zusammengefunden haben, erscheinen nun in Tisch und Bett als frisches Ehepaar. Sie leben in einer kleinen Mietwohnung mit einer leicht schrägen Nachbarschaft, die gern mehr oder weniger gutmütig tratscht, sich hier und da einmal aushilft und sowohl Christines Geigenunterricht toleriert als auch Antoines geschäftliche Aktivitäten im Hinterhof, wo er Blumen für einen Laden an der Straße einfärbt. Zu Christines Eltern (Claire Duhamel, Daniel Ceccaldi) besteht nach wie vor ein guter Kontakt; man besucht sich zum Essen und bespricht die Dinge des Alltags.
Als beschwingte Komödie kommt der vierte Teil von François Truffauts Filmreihe über sein von ihm selbst so bezeichnetes Alter Ego Antoine Doinel daher, wiederum verkörpert von Jean-Pierre Léaud, der geradezu naturalistisch in diese Rolle hineingewachsen erscheint. Mit sanfter Ironie wird hier die fröhliche Geschichte einer jungen Ehe bis hin zu ihrem allmählichen, seltsam unspektakulären Scheitern erzählt, dessen bedeutende Momente fast gänzlich einer nahe liegenden Tragik entbehren. Die dramaturgischen Wendungen folgen der Leichtigkeit der Charaktere, die sich geradezu trotzig weigern, in Verzweiflungen zu versinken.

So nah sich Christine und Antoine im Alltag auch sind, wirken ihre Intimitäten doch meist flüchtig und verhalten, was sich auch nicht ändert, als Christine schwanger ist und einen Sohn zur Welt bringt. Antoine hat gleich große Pläne für seinen Sohn, doch ein verbundenes Familienleben zu dritt erhält kaum Raum. Die wichtigen Gespräche ereignen sich erst dann, als sich bereits die Trennung anbahnt, die durch die Affäre Antoines mit der Japanerin Kyoko (Hiroko Berghauer) ausgelöst wird, der er im Rahmen seines neuen Jobs bei einer US-amerikanischen Firma begegnet, wo er eine Flotte von Modellschiffen im Gartenteich bewegt. Sehr rasch gerät diese Liebelei zu einer lästigen Pflicht für den wenig schuldbewussten, stets umtriebigen Antoine, der beginnt, einen Roman über seine Kindheit zu schreiben, was ihm bei Christine allerdings keinen Zuspruch einbringt, so wie in dieser Beziehung selten Anerkennung füreinander spürbar ist. Dennoch wohnt den Streitigkeiten des Paars, die im Verlauf der Geschichte zunehmend wie tröstliche, vertraute Diskussionen zwischen Freunden anmuten, eine positive Ausrichtung inne, und wachsend deutet sich ein für beide akzeptabler Konsens an.

Bei Tisch und Bett hat François Truffaut wiederum sein Autorenteam aus Geraubte Küsse, Claude de Givray und Bernard Revon eingesetzt, um die Figur des Antoine Doinel erneut auf die Leinwand zu bannen. Die Ausgestaltung der Geschichte wurde durch ausführliche Recherchen der Drehbuchverfasser gestützt, besonders was das berufliche Umfeld des Helden betrifft, was den Charakter des Films als heitere kleine Milieu-Studie des urbanen Frankreichs der frühen 1970er Jahre unterstreicht. Neun Jahre später wird mit Liebe auf der Flucht / L'amour en fuite trotz der zuvor ablehnenden Tendenz des Regisseurs ein weiterer, der letzte Teil des Antoine-Doinel-Zyklus erscheinen, in dem sich das ebenso optimistische wie offene Ende von Tisch und Bett relativieren wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/tisch-und-bett