Rampart

Bad Lieutenant

Eine Filmkritik von Lida Bach

Er sei kein Rassist erklärt Dave Brown (Woody Harrelson) dem farbigen Ermittler, der den wuchernden Berichten von Willkür in L. A.s Polizeieinheit "Rampart" nachgeht: "Ich hasse alle Menschen gleich." Regisseur Oren Movermans Kameralinse bündelt die gleißenden Sonnenstrahlen über der moralischen Wüste, die menschengemacht über einer kaum minder unnatürlich wirkenden Ödnis aus Kriminalität und Korruption brütet. Der gesellschaftlich und emotional verrohte Handlungsort, auf den sich ihr Fokus richtet, ist das Los Angeles der 1990er und das Los Angeles der 1990er ist vor allem das von James Ellroy.
Ellroy stochert mit dem kriminalistischen Zynismus seiner Romane im sozialen Brandherd des schmorenden Kadavers aus städtischem Glanz und Aufschwung. Der ordnungsrechtliche Infektionsherd darin trägt den Namen "Rampart" und die Brandblase auf dessen versengtem Fleisch den Namen Dave Brown. Woody Harrelson gibt der Kaltblütigkeit und Inhumanität seines Filmcharakters ein Gesicht, aber er gibt ihr keine Augen. Sie liegen verborgen hinter der schwarzen Ray Ban, die zum doppeldeutigen Sinnbild seiner Amoralität wird. Die dunklen Gläser verstecken nicht Daves Menschlichkeit, sondern den Mangel daran. Als Essenz der Tarnung, die Dave aus Dialektik, Arroganz und Zynismus um sich konstruiert hat, ersparen sie dem Zuschauer den Blick in eine Seele, die dieser Bezeichnung Hohn spricht. Was hinter den Brillengläsern erahnbar wird, ist beängstigender als Verbitterung oder Verrohung: Hohlheit.

Ein jeden Funken Anteilnahme und Zuneigung verschlingendes Nichts gärt hinter der verspiegelten Fassade. Sie filtert aus Daves Sicht die individuelle Humanität seiner Mitmenschen, die für Dave nichts anderes sind als Objekte; für Sex, Gewalt oder Selbstbestätigung. Erstes betrifft die Schwestern Barbara (Cynthia Nixon) und Catherine (Anne Heche), die beide mit ihm verheiratet waren, beide eine Tochter von ihm haben und beide de facto weiterhin mit ihm zusammenleben, zweites die Verdächtigen, die er misshandelt, sofern er sie nicht gezielt umbringt wie einen Sexualverbrecher, letzteres für die Töchter, vor denen er die armseligste Evokation seiner gefühlten Grandiosität chargiert. Ihre irritierende Faszination verdankt Movermans Charakterstudie, neben dem grandiosen Spiel Harrelsons und der hypnotischen Inszenierung, ihrer psychologischen Komplexität. Daves Brutalität ist nicht abgründig, sondern dumpf, ihre Kehrseite nicht Verletzlichkeit, sondern jämmerlicher Pathos.

Er sei ein Rassist, ein Bigotter, Sexist, Chauvinist, Misanthrop, Homophober, zählt Moverman Daves Charakterfehler auf, bevor er sie mit einem für den Protagonisten vermutlich weit herberen Kommentar summiert: "Vielleicht magst du dich auch einfach selbst nicht." Als wahre Ursache von Grausamkeit erkennt Movermans Mentalitätsstudie Gleichgültigkeit; die des Hauptcharakters reicht so weit, dass sie mit seinem gesamten Umfeld die eigene Persönlichkeit mit einschließt. Der physische und psychische Sadismus Daves toleriert keine Grenzen, auch nicht die seines sich der eigenen Schärfe gefährlich bewussten Intellekts. Dave ist clever genug zu wissen, dass die Untersuchungen des internen Ermittlers Timkins (Ice Cube) und der entschlossenen Bezirksanwältin Joan Confrey (Sigourney Weaver) ihm trotz der väterlichen Insidertipps des pensionierten Inspektors Hartshorn (Ned Beatty) das Genick brechen können, wenn er sich nicht zügelt. Er fühlt sich davon nur nicht betroffen genug, um nach diesem Wissen zu handeln.

Der gemeinsame Skript Movermans und Ellroys enfacht ein dramaturgisches Duell von Aggression und kriechender Selbstzerfleischung, das in einem surrealen Rausch gipfelt und Rampart trotz einiger Schwächen zu einem mehr als nur sehenswerten Film macht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/rampart