Puncture - David gegen Goliath (Blu-ray)

Gegen das System

Eine Filmkritik von Martin Beck

Der Anwalt als Star. In Amerika ist das kein Problem, bietet doch das dortige Rechtssystem eine breite Spielwiese für flamboyante Auftritte, wallende Plädoyers und irrsinnige Urteile. Wenn dann noch ein muskelbepackter Superheld Ambitionen entwickelt und eine wahre David-gegen-Goliath-Geschichte à la The Verdict oder Erin Brokovich auf Halde liegt, steht einer weiteren Runde Aufbäumen gegen alle Widerstände nichts mehr im Weg.
Das Unrecht dieses Mal liegt im amerikanischen Gesundheitssystem begraben, das sich weigert, sichere Nadeln in Krankenhäusern einzusetzen. Klar, dadurch könnten HIV-Infektionen vermieden werden, aber die Kosten sind selbstverständlich nicht tragbar. Eine durch eine Spritze angesteckte Krankenschwester landet bei einem drogenabhängigen Krankenwagenjäger namens Mike Weiss (Chris Evans), der hier seine große Chance als Anwalt wittert. Der Kampf gegen miese Konzernbosse, unmoralische Vergleichsangebote und eigene Verfehlungen ist eröffnet...

Jawohl, Puncture ist ein einziger Kampf, auch gegen das gewählte Thema, die Klischees einer wahren Geschichte und die Muskeln von Captain America. Möchte sich denn wirklich jemand gerne von dem Thema Einwegspritzen in amerikanischen Krnakenhäusern unterhalten lassen, unterfüttert mit allen Höhen und Tiefen, die ein auf der Kante des Lebens tänzelnder Anwalt so durchmachen muss? Für Marvel-Fans dürfte das viel zu unkommerziell sein und für Doku-Puristen viel zu kommerziell. Oder überhaupt kein Thema, außerhalb eines Beitrags in den Spätnachrichten.

Adam und Mark Kassen, die Regisseure von Puncture, hatten wohl wirklich die im ersten Absatz genannten Filme im Hinterkopf und ziehen auch alle Register eines packenden, emotional aufwühlenden Rechtsdramas. Das Problem sind halt nur das Thema, das maximal unsexy beim Zuschauer ankommt, und eine Hollywood-eske Achterbahnfahrt kleiner Triumphe und Rückschläge, die sich in ihren emotionalen Extremen wie aus dem Baukasten anfühlt. Natürlich muss der Anwalt auf Koks und Nutten sein, die bloße David-Statur reicht ja noch nicht als Fallhöhe.

Und natürlich muss die Rolle auch ein Schauspieler wie Chris Evans ausfüllen, der hier endlich einmal zeigen kann, was er wirklich draufhat. Die Muckis werden mit regelmäßigen Fitnessstudiobesuchen erklärt und ansonsten riecht die ganze Rolle nach dem Wunsch, möglichst weit weg von Marvel zu kommen – egal ob das irgendwann überfrachtet wirkt oder nicht. Chris Evans schleppt alle möglichen Konflikte mit sich herum und gebärdet sich dabei wie ein aufgepumpter Boxer, dessen Gegner, Julia Roberts und Paul Newman, viel zu sehr mit ihren eigenen Anliegen beschäftigt sind, als dem verbissenen Upstart auch nur eine Backe hinzuhalten.

Puncture ist kein Vergleich zu den Schwergewichten des Genres, er erinnert eher an einen soliden Fernsehfilm. Wenn man erst einmal den Einstieg geschafft und die ganzen querliegenden Stolpersteine verdaut hat, erfreut immerhin die angenehm reduzierte Machart, die in gewisser Weise ein bisschen gegen die eigenen Versuchungen arbeitet. Es gibt hier keine flammenden Plädoyers, keine großen, heroischen Heldentaten und immer wieder auch Rückschritte, ungleich gewichtet mit kleineren Erfolgen.

Man kommt nicht umhin, dem Film eine gewisse Anerkennung zu zollen, wenngleich (mal wieder) aus der "ist ja gar nicht so schlimm"-Warte heraus. Irgendwie komisch, dieses bewusste Verhindern von direktem Interesse, um dann erst über Umwege den zweiten Pulli ausziehen zu können. Die Blu-Ray von Starmovie ist ein Re-Release, zu haben ist der Film eigentlich schon seit 2011. Bild, Ton und Synchro sind in Ordnung (aber nicht gerade umwerfend), Extras gibt es nach wie vor keine.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/puncture-david-gegen-goliath-blu-ray