Taxidermia - Friss oder stirb

Im grotesken Schreckensreich des Monströsen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Auf welche Weise das Böse in die Welt kommt und wie es sich von Generation zu Generation weiter überträgt, davon berichten viele Filme. Wie aber das Schmutzige, das Groteske, das Häßliche und Perverse in die Welt kommen, das wird eher selten in Filmen behandelt. In seinem zweiten Film nach dem schon recht schrägen Hukkle – Das Dorf (2002) entwirft der ungarische Regisseur György Pálfi nach Motiven des Schriftstellers Lajos Parti Nagy eine Art Familienchronik des Absonderlichen und Polymorph-Perversen, die vor allem zartbesaiteten Zuschauern noch eine ganze Weile nachhängen dürfte.
Taxidermia - Friss oder stirb folgt drei aufeinanderfolgenden Generationen von Männern, deren Vorliebe für Obskures allem Anschein nach mittels des Erbgutes weitergereicht wurde. Als Urvater dieser seltsamen Spezies führt der Film den wackeren, aber ziemlich erbärmlichen Soldaten Morosgoványi Vendel (Csaba Czene) ein, der während des Zweiten Weltkrieges unter den Schikanen seines sadistischen Vorgesetzten leidet. Aus Langeweile und Frust ersinnt Vendel immer ausgefeiltere Methoden der Selbstbefriedigung, die auch schon mal sein Gemächt in Brand setzen und ihn überhaupt immer wieder in gewaltige Schwierigkeiten bringen. Aus einer Liaison mit der absurd dicken Gattin seines schikanösen Vorgesetzten entsteht schließlich ein unehelicher Sohn Kálmán (Gergely Trócsányi), der die Unmäßigkeit des Vaters und die körperlichen Determinanten der Mutter durch einen bizarren Wettkampfsport fortführt – durch Wettessen, in deren Verlauf die Kombattanten sich immer wieder erbrechen, um anschließend das Fressen fortführen zu können. Aus der Verbindung mit der gleichfalls sehr adipösen Gizi (Adél Stanczel) wird die Familienlinie noch einmal weitergeführt – der gemeinsame Sohn Lajos (Marc Bischoff) allerdings ist ein schmales Bürschchen und frönt lieber seiner Leidenschaft für das Präparieren von toten Tieren. Widerwillig sorgt er für seinen Vater, der mittlerweile so fett geworden ist, dass er nahezu unbeweglich in der stets gleichen Haltung verharren muss. Bis der Sohn eines Tages auf den Gedanken verfällt, dass es wohl kaum ein schöneres Präparat geben können als seinen Erzeuger...

Mit viel Lust an der Übertreibung und am Bizarren und noch mehr Freude am möglichst unappetitlichen Detail ist Taxidermia – Friss oder stirb ein Frontalangriff auf den guten Geschmack geworden, ein Lob an die Verschwendung, das Unmäßige und Abnormale, eine wüste Feier des Lebens und Sterbens, die aber nicht allein darauf abzielt zu schockieren, sondern die zugleich auch immer wieder anregt, über Grenzen und Grenzüberschreitungen, über Sinn und Moral in einer sinnlosen und amoralischen Welt, über äußerliche wie innere Häßlichkeit als Grundbedingung des Daseins nachzudenken.

Fast scheint es so, als hätten sich für Taxidermia Peter Greenaway, Michel Houellebeq und die Monty Pythons von Günter Grass Blechtrommel, von Marco Ferreris Film Das große Fressen, von Pier Paolo Pasolinis Die 120 Tage von Sodom und den Bilderwelten des tschechischen Fotografen Jan Saudek inspirieren lassen und gemeinsam beschlossen, ein Werk zu drehen, das darauf ausgerichtet ist, die ästhetischen Empfindungen möglichst vieler Menschen zu verletzen. Eine Mission, die der Film zumindest teilweise erfüllt, wobei die dargebotenen Grenzüberschreitungen sich mit der Zeit ein wenig totlaufen. Dennoch übt diese seltsame und fremde Welt, die der Film entwirft, einen eigentümlichen Reiz auf den Zuschauer aus, und ab und an fühlt es sich an, als wäre man in einem SEHR bizarren Traum gefangen, aus dem es erst nach 90 Minuten ein Entrinnen gibt.

Wer freilich einen wenig stabilen Magen oder eine niedrig angesiedelte Scham- bzw. Ekelgrenze hat, der sollte sich für einen gemütlichen DVD-Abend vielleicht doch einen anderen Film aussuchen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/taxidermia-friss-oder-stirb