The Veteran

Vom Krieg an der Heimatfront

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Plötzlich ist er zurück in seinem alten Viertel. Doch die Rückkehr aus Afghanistan ist für den Ex-Soldaten Robert Miller (Toby Kebell) lediglich der Übergang von einem Kriegsgebiet in ein anderes. Was er bei seinen Einsätzen erlebt hat, das kann man nur erahnen, wenn wir zu Beginn des Films die Begleitgeräusche eines Einsatzes hören, diese Mischung aus hektischen Funkbefehlen und dem Geknatter der Gewehre. Oder wenn Robert auf die Frage seiner Kumpels von früher, wie viele Taliban er getötet habe, lakonisch antwortet: „Hunderte!“ Das Grauen, das uns der Film vorenthält, wird bald schon von dem ganz realen Grauen der Gegenwart abgelöst – und es bleibt bis zum Ende die Frage im Raum stehen, welcher Schrecken der größere ist.
Der Stadtteil, in den Robert zurückkehrt, ist in Gefahr – das zeigt schon das Flugblatt, das er nach seiner Heimkehr in seinem Briefkasten vorfinden wird. "Save our estate" - "Rettet unser Viertel" steht da zu lesen. Was Robert allerdings noch nicht weiß: Diese Ansammlung anonymer Wohnblocks und hässlicher Hochhäuser ist nicht mehr zu retten – nicht von ihm und auch sonst von niemandem.

Orientierungslos und voller versteckter Aggressionen ist Robert ein ideales Ziel für die Anwerbungsversuche des zwielichtigen Chris Turner (Tony Curran), den er über seinen alten Kameraden Danny (Tom Brooke) kennenlernt. In dessen Auftrag soll Robert Kontakt zu der ebenso schönen wie schweigsamen Informantin Alayna Wallace (Adi Bielski) aufnehmen, die in das Umfeld eines mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfers eingeschleust wurde. Der Auftrag, der allem Anschein nach dazu dienen soll, bevorstehende Anschläge frühzeitig aufzudecken, entpuppt sich schnell als viel gefährlicher als gedacht. Denn Chris und dessen Vorgesetzter Gerry (Brian Cox) spielen ein gefährliches Spiel, bei dem die Frontlinien völlig unklar sind. Bald schon weiß Robert nicht mehr, wem er überhaupt noch vertrauen kann und gerät in die Schusslinie...

Während man sich in Hollywood immer noch nicht so recht an Filme wagt, die die Auswirkungen der Kriege in Afghanistan und im Irak auf die Heimatfront und die Gefahren des religiös motivierten Terrorismus frontal zeigen, ist man da in Großbritannien anscheinend schon etwas weiter. Was möglicherweise auch an der kolonialen Vergangenheit des Königsreiches und dem prinzipiellen Unbehagen der Briten gegenüber den Zuwanderern aus diesen Ländern liegt, weil doch die Anschläge von London gezeigt haben, dass die Täter bis dato als völlig unbescholtene Bürger bestens integriert Tür an Tür mit ihren Opfern lebten.

Während Christopher Morris das Thema in seinem Film Four Lions von der unerwartet komischen Seite beleuchtet hatte, nähert sich Matthew Hope dem Topos eher aus der Warte des knallharten Großstadt-Thrillers, der in seiner moralischen Indifferenz und seiner düsteren Weltsicht Elemente eines Neo-Noir in sich trägt.

Das Beachtliche bei diesem Film ist weniger seine straighte und vor allem zu Beginn um ungewöhnliche Bilder bemühte Inszenierung (besonders sehenswert etwa ist die Sequenz, in der Robert durch sein Viertel joggt oder eine Passage, in der er sich im Stile eines Ego-Shooter gegen eine rabiate Jugendbande zur Wehr setzt), sondern vor allem die Diagnose, die der Film über den Zustand der britischen Gesellschaft abgibt. Hope verlässt sich nicht auf die dumpfen Vorurteile, sondern zeigt in seinem schonungslosen Finale, dass die Feinde des Landes keineswegs nur radikalisierte Muslime sind, sondern auch Regierungskreise, die ihre eigene Agenda verfolgen und die Kids in den tristen Vorstädten, für die Gewalt und Rücksichtslosigkeit oftmals als einzig mögliche Perspektive erscheinen.

Sicherlich ist The Veteran kein grandioses Meisterwerk. Ein solider und in seiner düsteren Schonungslosigkeit packender und schnörkelloser Thriller mit punktgenauen Dialogen und ohne ausufernde Spezialeffekte ist er aber allemal.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/the-veteran