Armee im Schatten

Ein zutiefst unbehaglicher Film über die Résistance

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Aus dem Jahre 1969 stammt dieses Drama des französischen Regisseurs Jean-Pierre Melville, das die Geschichte einer Gruppe von Aktivisten der Résistance zur Zeit des Zweiten Weltkriegs erzählt. Ebenso kühl wie stringent inszeniert schildert Armee im Schatten die innere Struktur des französischen Widerstands gegen die deutsche Besatzungsmacht in einer zutiefst erschütternden Form, wobei die elementaren Aspekte von Loyalität und Verrat eine schwelende Dimension erreichen, die jeglicher, in diesen Zusammenhängen oftmals filmisch konstruierten Romantik des Untergrunds eine deutliche Absage erteilt.
Frankreich im Jahre 1942: Der Ingenieur Philippe Gerbier (Lino Ventura), ein führender Kopf der Résistance, wird von einem Kolloborateur aus den eigenen Reihen verraten und inhaftiert. Als ihm die Flucht aus dem Lager gelingt, kontaktiert er seine Verbindungsleute und begibt sich auf die Suche nach dem Verräter, um ihn zu eliminieren. Zudem gilt es, dringend den bereits stark geschwächten Felix (Paul Crauchet) aus dem Gefängnis zu befreien, der von den Nazis gefoltert wird. Gemeinsam mit Gerbier und einem engen Kreis weiterer Aktivisten klügelt die Widerstandskämpferin Mathilde (Simone Signoret) einen gewagten Plan aus, um Felix zu befreien, doch dann fliegt die scharfsinnige Expertin selbst auf und stellt bald eine Gefahr für die gesamte Résistance dar, denn durch die Verbindung mit ihrer Tochter, die die Nazis aufspüren, ist Mathilde nur allzu leicht erpressbar. Gerbier, der eine zwar dezente, doch innige Beziehung mit der resoluten Frau pflegt, ringt sich schließlich zu einem drastischen Entschluss durch ...

Dieser höchst spannende Thriller nach dem gleichnamigen Roman des französischen Journalisten und Schriftstellers Joseph Kessel fokussiert die inneren Angelegenheiten der kleinen Gruppe des Widerstands auf äußerst reduktionistische Art und Weise, die unmittelbar im aktuellen Geschehen verankert bleibt. Während die Motivation der Aktivisten vollständig vernachlässigt wird, werden ihre persönlichen Verhältnisse allenfalls karg angedeutet, so dass die Konzentration der Dramaturgie sich auf die Darstellung ihrer Untergrundarbeit sowie auf den Umgang miteinander beschränkt. Die puristische Spannung, die dadurch entsteht, lebt ganz vom filigranen, ausdrucksstarken Spiel des ungeheuer intensiv agierenden Ensembles, das mit Lino Ventura, Simone Signoret, Paul Meurisse und Jean-Pierre Cassel schillernde Protagonisten des französischen Kinos versammelt.

Dass in Kriegszeiten extreme Moralvorstellungen eines umfassenden Ausnahmezustands herrschen, die sich innerhalb der Résistance gleichermaßen ausprägen wie bei den Besatzern, stellt sicherlich eine der Kernaussagen dieses mit kühler Präzision inszenierten Dramas dar. Alle ethischen Entscheidungen vollkommen in den Dienst des Widerstands zu stellen, ist die Maxime, die hier regiert, koste es was es wolle: Auch das Leben eines Mitstreiters oder aber das eigene. Die harte Unzimperlichkeit, die zunächst noch durch die Andeutung von Skrupeln leicht gemildert wird, setzt sich wachsend in den stark individualistisch geprägten Charakterzeichnungen durch, und es ist zuvorderst diese flirrende Dimension der streng kalkulierten Unbarmherzigkeit jenseits humanistischer Einwände, die Armee im Schatten zu einem derart bewegenden, mitunter beängstigenden und zutiefst unbehaglichen Film geraten lassen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/armee-im-schatten