Vampire Nation

Land of the Dead

Eine Filmkritik von Lida Bach

Sie leben bei Nacht. Dann erwachen die toten Städte zu neuem Leben – im wörtlichen Sinne. "Wenn man stirbt, bleibt man nicht tot", weiß Martin (Connor Paolo). Seine Familie ist gestorben und lebt – nicht in Martins Erinnerung, sondern in den verwüsteten Straßen, die den "vamps" gehören. Nun gibt es nur Martin und Mister (Nich Damici). Der Vampirjäger lehrt den verstörten Jugendlichen die zombieartigen Vampire, die durch die postapokalyptischen USA ziehen, zu töten – endgültig, nach klassischer Manier. Das Ziel des kaltblütigen Mentors und gelehrsamen Schülers ist ein "New Eden", ein angeblicher Zufluchtsort vor den Untoten. Doch die Straße aus der Hölle ist lang und hart - und in Stake Land (so der Originaltitel des Filmes) ist sie blutig.
Die inszenatorische Marschroute auf Jim Mickles filmischer Reise ans Ende der Nacht ist so aufreibend und unerbittlich wie der Weg der Charaktere. Ein hintersinniges Spiel mit den Standardmotiven des Vampirfilms ist bereits der Titel des apokalyptischen Horror-Hybriden zwischen Road Movie und Coming-of-Age-Drama. "Stake" bedeutet auch Risiko oder Wetteinsatz. Letztes ist der Titelort, zu dem Amerika geworden ist. Die Einwohner haben das vermeintliche Paradies riskiert - und verloren. Nun steht ihr Leben auf dem Spiel, in dem Räuber und Gendarmen gleichermaßen gefährlich sind. Monströser als die "vamps" ist die christliche Bruderschaft, die in den Untoten Gottesgeschöpfe sieht. Der verschlagene Fanatiker Jebedia (Michael Cerveris) ist wie die Nonne (Kelly McGilles), der Kriegsveteran Willie (Sean Nelson) und die schwangere Belle (Danielle Harris), die sich Martin und Mister anschließen, mehr Symbolfigur als autarker Charakter. Im Zentrum der sparsamen Handlung steht die gespenstische Vision einer desolaten Zivilisation, die zusammengebrochen ist, weil sie von Grund auf porös war. Die deprimierende Frage, die Vampire Nation aufwirft, ist nicht, ob die Menschheit überleben wird, sondern ob es überhaupt wünschenswert ist, dass sie überlebt.

Die kargen Landschafts- und Stadtszenarien entlang der Straße nach Nirgendwo sind die sinnbildlichen Badlands – ein böses, dämonisches Land zwischen T.S. Eliots Waste Land und Cormack McCarthys The Road. Stumpf und kompromisslos repräsentiert Nick Damicis Mister kongenial den Geist dieses Ödlands. Martin und er fügen sich nicht in das gängige Vater-Sohn-Schema, das sich für ihre Figurenkonstellation anbietet. Der wortkarge Veteran im Krieg gegen die Vampire wird zum Lehrer des Jungen, dessen Hintergrunderzählung die Handlung begleitet. Töten und Überleben, das eine zum Zweck des anderen, ist alles, was Mister seinem Schüler beibringt. Nur um sie weitergeben zu können, scheint er Martins Leben zu retten. Er ist kein schöner Mensch, kein Mensch mit viel Skrupel. Mister ist ein Mensch in kaum mehr als dem Äußeren. Wortkarg und gefühlsarm ist er im Krieg dem Feind unmerklich ähnlicher geworden. Das Ablegen seines Namens forciert seine seelische Abstumpfung neben der permanent ausgeübten Gewalt. Misters eigentliche Ziel scheint nicht "New Eden", sondern die eigene Entmenschlichung, um noch besser in einer von Ungeheuern beherrschten Welt bestehen zu können.

Der Verlust der Menschlichkeit und der mit ihr verbundenen Individualität ist der wahre Horror in Mickles pessimistischer Endzeitvision. Jeder erfolgreiche Schlag gegen die Vampire ist für die Protagonisten ein Pyrrhussieg: die geretteten Menschen sind potentiell Nahrung für die Blutsauger oder zukünftige Anhänger der Bruderschaft. Der verheißungsvolle Name des Zielortes ist trügerisch. Einen neuen Ursprung kann es nur nach dem Untergang des Alten geben. "New Eden" symbolisiert das unumkehrbare Ende der Menschheit, die laut Bibel aus dem ersten Garten Eden kam. Auch diese Wanderung war leidvoll und führte aus einem Land des Überflusses in eine Welt, die regiert wird von Entbehrung und Tod. Den Kampf ums Überleben haben die Menschen, die zwischen den Ruinen der Zivilisation umherirren, seit langem verloren. Pandora hat ihre Box geöffnet und all die Übel darin sind über das Niemandsland, das die Figuren durchstreifen, hereingebrochen – nur die Hoffnung blieb drinnen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/vampire-nation