Der große Bär

Die Kinder des großen Bären

Eine Filmkritik von Lida Bach

"Es ist dämlich mit Teddy-Bären zu reden", sagt Jonathan seiner kleinen Schwester. "Ich rede nicht mit meinem Teddy", erwidert Sophie. "Ich rede mit Mr. Bär." Ihr Teddy-Bär ist der "Kleine Friedjoff". Das Stofftier ist das einzige, was von Jonathans Schwester zurückgeblieben ist, nachdem sie durch die verbotene Tür hinter Großvaters Haus geschlüpft ist. Dort liegt der gefährliche Teil des Waldes, hat der Großvater die Geschwister gewarnt. Dort lebt der große Bär.
Verlassen liegt der Kleine Friedjoff neben den Trümmern des Baumhauses. Versehentlich hat Sophie (Sprecherin: Alberte Blichfeldt) es kaputt gemacht. Dafür jagt Jonathan (Markus Rygaard) sie durch den Garten bis zu der winzigen Tür in der mächtigen Steinmauer. Wer sie gebaut hat, wollte sich gegen etwas Gigantisches schützen. Und genau diesem unbekannten Furchtbaren ist Sophie nun ausgeliefert. Wieder jagt Jonathan seine kleine Schwester - um sie zu finden, bevor der große Bär es tut. Der Zwölfjährige ist der erste Jäger in Esben Toft Jacobsen mythischem Animations-Märchen Der große Bär / Den kæmpestore bjørn. Der andere ist nur "Der Jäger". Blind vor Hass verfolgt er den Bären, dessen wahre Natur nur Sophies Kinderaugen sehen.

Am Grunde des mythischen Filmmärchens liegt die uralte Angst vor der Unberechenbarkeit der Natur, ihrer Unbegreiflichkeit und Weite. Jacobsen verniedlicht den zentralen Charakter nicht zu einem übergroßen Kuscheltier oder tollpatschigem Gefährten der Kinder. Immer ist Bär furchteinflößend und mächtig, vor allem jedoch animalisch. Nur widerstrebend gibt ihm Sophie einen Namen. Als Jonathan ihr sagt, alles habe einen Namen, erwidert Sophie, Mutter und Vater hätten keinen: "Sie heißen wie das, was sie sind." Die Namenlosigkeit des Bären symbolisiert hingegen seine Wildheit und Freiheit. Nur Haustiere haben einen Namen. Der Bär hingegen ist kein Schoßtier oder gehorsamer Begleiter wie die Hundes des Jägers. Als wildes Tier ist er ein Teil der Natur, nichts außer eben Der große Bär.

Die andere namenlose Kreatur, die durch die düster-mystischen Bergwälder streift, ist der Jäger (Flemming Quist Möller). Wie er heißt, sagt er nie, weil es keine Rolle spielt. Über den Kampf gegen die Natur hat er jeden menschlichen Kontakt verloren. Während der große Bär im wörtlichen Sinne mit dem Wald verschmolzen ist, trotzt der Jäger der Natur. Er ist zu besessen zu erkennen, dass der Krieg längst verloren ist. Er kann die Natur verwunden, aber nicht töten. Das Bärenmaul ist nur einer ihrer Rachen. Als der große Bär besiegt scheint, öffnet sich ein anderer, um den Jäger zu verschlingen. Er weigert sich zu erkennen, dass sein Leben in der Hand der Natur liegt. Bis sie ihn zermalmt wie er selbst zuvor eine Krähe in seiner Faust zerquetscht hat.

Doch der aus den dunklen nordischen Sagen gewachsene Wald birgt nicht nur bedrohliche Kräfte, sondern auch heilende. In Esben Toft Jacobsens Film haben beide ihren Platz. Schatten von Magie wohnen in den schattigen Waldschluchten von Jacobsens Parabel über das Zusammenleben von Mensch und Natur. Fast schade wirkt da, dass im Kinderfilmwettbewerb keine Bären verliehen werden. Dem phantastischen Animationsabenteuer wäre eine Trophäe des Titeltieres sicher.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/der-grosse-baer