Rotes Kornfeld

Der Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale 1988

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Wenn eine junge, schöne Frau mit einem ihr unbekannten über 50jährigen, an Lepra erkrankten Mann verheiratet werden soll, ist es nicht verwunderlich, dass die Braut wenig Begeisterung zeigt. Dieses Schicksal widerfährt Jiuer (Gong Li), der Großmutter des fiktiven Erzählers, der in Rotes Kornfeld die von Legenden umwobene Geschichte seiner Herkunft präsentiert. Während Jiuer, was "meine Großmutter" bedeutet, den Gebräuchen entsprechend in einer Sänfte von ihrem Dorf aus zum Haus ihres zukünftigen Mannes in einem Nachbardorf gebracht wird, treiben die Träger der Sänfte traditionsgemäß derbe Späße mit der Braut, bis sie unweit eines Hirsefeldes von einem Räuber überfallen werden, der sie mit einer Pistole zwingt, ihre Gürtel abzulegen und mit Jiuer ins Feld hinein verschwinden will. Doch Yu (Jiang Wen) – "mein Großvater" –, einer der Sänftenträger, mit dem die Braut Blickkontakt aufnimmt, stürmt los, den Räuber zu überwältigen, und damit beginnt die skurrile und letztlich tragische Liebesgeschichte der Großeltern des Erzählers.
Bei ihrem Gatten Li Datou, der eine Schnapsbrennerei betreibt, angekommen, erwehrt sich Jiuer mit einer Schere erfolgreich seinen Annäherungsversuchen, so dass die Ehe weder in der Hochzeitsnacht noch in den darauf folgenden Tagen vollzogen wird. Als ihr Vater sie zu einem Familienbesuch nach Hause holt und unterwegs beschwört, dass sie anschließend unbedingt zu Li Datou zurückkehren müsse, schließlich habe er ihnen einen Esel geschenkt, reitet Jiuer trotzig mit dem Tier davon und wird am Hirsefeld von Yu abgefangen, der dort ein Liebesnest improvisiert und seine Angebetete verführt. Bei der Rückkehr zu Li Datou erreicht Jiuer die Nachricht, dass ihr Mann ermordet wurde. Nach der ausführlichen Reinigung des Hauses versammelt sie die Arbeiter um sich und verkündet, mit ihnen gemeinsam die Schnapsbrennerei fortführen zu wollen. Yu, der ebenfalls vor Ort ist, beansprucht Jiuer nunmehr als seine Frau, und nach einigen Turbulenzen zieht er tatsächlich zu ihr ins Haus, und sie bekommen einen Sohn (Jia Liu). Es gelingt der Kooperative, einen ganz besonders guten Schnaps herzustellen, und die Geschäfte laufen gut, bis die Japaner grausam über die Region herfallen ...

Das Spielfilmdebüt des chinesischen Regisseurs Zhang Yimou (Leben! / Huozhe, 1994, House of Flying Daggers / Shi mian mai fu, 2004, Der Fluch der goldenen Blume / Man cheng jin dai huang jin jia, 2006) gewann neben anderen Auszeichnungen den Goldenen Bären der Berlinale, wo er im Jahre 1988 seine Premiere feierte. Kräftige Farben – zuvorderst ein blutiges Rot – sowie die eindringliche, mitunter gar schrill anmutende Filmmusik von Zhao Jiping prägen die ebenso ungewöhnliche wie ansprechende künstlerische Gestaltung von Rotes Kornfeld mit seinen starken Bildern und seiner unorthodoxen Geschichte im China der 1930er Jahre, die mit ihrer queren Ästhetik auch eine Hommage an Individualismus und Freiheitlichkeit darstellt. Die Schauspielerin Gong Li, die damals mit Regisseur Zhang Yimou auch privat liiert war, gibt hier mit beachtlicher Souveränität ihr Schauspieldebüt, das von einem insgesamt ganz hervorragend agierenden Ensemble flankiert wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/rotes-kornfeld