AO - Der letzte Neandertaler

Eine Filmkritik von Marie Anderson

In einem Schnee-Szenario vor 30 000 Jahren ist dieser Spielfilm des französischen Regisseurs Jacques Malaterre angesiedelt, dessen Held zur berühmten Spezies der Neandertaler gehört, die sich in jenen Zeiten anschickten, vom Antlitz der Erde zu verschwinden. AO – Der letzte Neandertaler fokussiert die Berührung dieses Verwandten des Homo sapiens mit der Gattung des Menschen, die in eine urzeitliche Liebesgeschichte mündet. In Frankreich lief dieser Film mit historisch informativem Anspruch, der auf dem Roman Ao, l'homme ancien von Marc Klapczynski basiert, im letzten Jahr sehr erfolgreich in den Kinos, und nun erscheint die romantisierte Geschichte des dramatisch als Letzter seiner Art bezeichneten Neandertalers in Deutschland auf DVD.
Als der Familienvater Ao (Simon Paul Sutton) von der Jagd nach Essbarem zu seinem Klan nach Hause zurückkehrt, erlebt er eine schlimme Überraschung: Die gesamte Sippe wurde in seiner Abwesenheit ermordet, so dass er von nun an auf sich allein gestellt überleben muss. Innerhalb der ebenso urwüchsigen wie unwegsamen Natur macht sich der kräftige Jäger auf zu seinem Geburtsort, wo er seinen Bruder anzutreffen hofft. Unterwegs fällt Ao allerdings in die Hände eines Kannibalenstammes mit eindeutigen Absichten, und als ihm die Flucht gelingt, macht er die Bekanntschaft der schwangeren Homo sapiens Dame Aki (Aruna Shields), die er vor dem Tod als Nahrungsquelle rettet. Gezwungenermaßen setzen die beiden ihren Weg gemeinsam fort, und bald darauf gebiert Aki eine Tochter.

Während Ao die menschliche Frau offensichtlich von Anfang an für sich beansprucht und auch zu ihrem Kind eine fürsorgliche, zärtliche Nähe empfindet, hält Aki den Neandertaler zunächst energisch auf Distanz, und als das Paar zu ihrer Sippe stößt, positioniert sich Aki gegen ihren Retter, der kurzerhand mit Steinen attackiert wird und vertrieben werden soll. Verletzt und resigniert schickt sich Ao an, seinen Weg allein fortzusetzen, doch schließlich entscheidet sich Aki doch noch dazu, diesem seltsamen fremden Mann zu folgen, von dem sie sich trotz aller Widerstände angezogen fühlt. Als Patchwork-Familie machen sich die Drei nun auf in südlichere Gefilde, wobei sich zwischen Ao und Aki zunehmend eine innige Liebesbeziehung entwickelt ...

Neben einer schlichten Ursprache, mit der sich Ao und Aki wachsend funktionell verständigen, sind es umfangreiche, geschliffene Kommentare aus dem Off, durch welche die differenzierte Gedanken- und Gefühlswelt der beiden transportiert wird. Dieser mitunter allzu sentimentalisierenden Form, dem Zuschauer Einblicke in das mimisch und gestisch nur unzureichend plakativ dargestellte Innenleben der Protagonisten zu vermitteln, haftet eine stark kitschig geprägte Komponente an, die sich überwiegend oberflächlicher Klischees bedient und als „Übersetzung“ der intendierten Darstellung der Komplexität der Figuren fungieren soll. Wird auch deutlich, dass damit die menschliche Ausprägung dieser Kreaturen betont werden soll, wirken diese spekulativen Analogien doch allzu aufgesetzt und belehrend.

Das ebenso gut trainierte wie in einschlägigen Filmen zuhauf bereits abgegriffene Gebaren der Akteure ist frei von findigen Einfällen jenseits der einschlägigen Laute und Zeigehandlungen, die allesamt auf emotionale Wirkungen nahe der modernen Codes abzielen. AO – Der letzte Neandertaler präsentiert letztlich zwar sehr schöne Bilder im urzeitlichen Naturambiente, kommt aber über eine vorhersehbare, mit klassisch-banal geprägten Spannungselementen gespickte Geschichte nicht hinaus, die sich simpler Empathie-Mechanismen bedient. Im Grunde stellt der Film eine sich in ungewöhnlichem Milieu ereignende Schmonzette dar, die weit hinter ihrem offensichtlich universal-historischen Anspruch zurückbleibt, dessen Unterhaltungswert sich auf gelegentliche "interessante" Momente beschränkt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/ao-der-letzte-neandertaler