Total Recall – Die totale Erinnerung (1990)

Endlich Urlaub!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ohne ihn wäre das Mainstream-Kino der 1980er Jahre kaum denkbar: Der 1947 in der Steiermark geborene Arnold Schwarzenegger erlangte mit dem pulpigen Fantasy-Film "Conan der Barbar" (1982) internationale Bekanntheit und wurde durch James Camerons düsteren Science-Fiction-Blockbuster "Terminator" (1984) zum Hollywood-Star. Fortan kämpfte er sich, meist recht wortkarg, durch diverse Action-Spektakel und entdeckte darüber hinaus sein Faible für komödiantische Stoffe – etwa in Ivan Reitmans "Twins – Zwillinge" (1988) an der Seite von Danny DeVito. Eine nahezu perfekte Kombination dieser beiden Schwarzenegger-Facetten gelang schließlich in "Total Recall" (1990).

Der Film mixt wilde Science-Fiction-Ideen und Action-Einlagen mit einem lustvoll überzogenen Humor. Auf Basis der Kurzgeschichte Erinnerungen en gros von Philip K. Dick werden wir ins Jahr 2084 katapultiert. Einiges ist in dieser Zukunft nicht allzu sensationell: Der Protagonist Douglas Quaid (Schwarzenegger) schlägt sich als Bauarbeiter durch; das Leben mit seiner Ehefrau Lori (Sharon Stone) verläuft wenig abwechslungsreich. Es gibt die Option, auf den Mars zu ziehen – was Lori allerdings ablehnt. Überdies bietet das Unternehmen REKALL Inc. allen Interessierten an, künstliche Erinnerungen, zum Beispiel an einen Idealurlaub, einzupflanzen.

Allein dieser Gedanke ist äußerst faszinierend. Denn was bleibt von einem schönen Erlebnis letztlich anderes übrig als die Erinnerung daran? Ist es da nicht sehr bequem, diese Erinnerung einfach erzeugen zu lassen, statt sich den Gefahren echter Erlebnisse auszusetzen? Douglas entscheidet sich spontan für die Erinnerung an einen Mars-Urlaub – und lässt sich dazu überreden, noch ein ganz spezielles Paket zu buchen, das ihn zum Geheimagenten macht, der den gesamten Planeten retten und nebenbei eine aufregende Frau kennenlernen darf. Eine Filmfigur erwirbt hier also die Möglichkeit, zum Helden einer kinoreifen Geschichte zu werden. Das ist herrlich meta – und dient als Prämisse für ein augenzwinkerndes Abenteuer.

Bei der Implantierung der Erinnerung scheint es zu unerwarteten Komplikationen zu kommen – denn offenbar wurde schon einmal mit Douglas’ Erinnerungen gespielt. Genauer gesagt scheint Douglas gar nicht Douglas zu sein. Und seine Frau? "Ich arbeite hier nur", meint Lori lapidar, als er sie in der gemeinsamen Wohnung zur Rede stellt. Die gesamte Ehe ist augenscheinlich nichts weiter als ein Gedächtnisimplantat; die vergangenen acht Jahre waren angeblich eine einzige Lüge: "Dein ganzes Leben ist nur ein Traum." Die ursprüngliche Identität von Douglas alias Hauser sei gelöscht worden. Und so begibt sich der plötzlich von allen Verfolgte auf den Mars, wo er der Untergrundkämpferin Melina (Rachel Ticotin), die er zuvor schon in Träumen vor sich sah, (wieder) begegnet. 

Doch passiert das alles tatsächlich? Oder befindet sich Douglas noch immer im Labor von REKALL? Die philosophischen Ansätze des Werks tragen eindeutig die Handschrift des Science-Fiction-Schriftstellers Dick (1928-1982), der etwa auch die Vorlage zum modernen Genreklassiker Blade Runner (1982) lieferte. Die filmische Umsetzung mit all ihren tricktechnischen Ausschweifungen und schrägen Einfällen ist wiederum ein Paradebeispiel für die Kreativität des niederländischen Regisseurs Paul Verhoeven, der zuvor schon mit RoboCop (1987) die Leinwand fast zum Explodieren brachte. Die Gestaltung des sogenannten „Johnny-Taxis“ – eines Wagens mit freundlichem Roboter-Fahrer – oder die absurde Tarnung Hausers, um auf den Mars zu gelangen, verleihen dem Film eine wunderbare High-Camp-Anmutung. Das 2012 entstandene Remake von Len Wiseman, das keinerlei Lust am Trashigen und Kitschigen erkennen ließ, sondern gänzlich auf durchgestylte Action setzte, vermochte diesen Charme bei Weitem nicht zu erreichen.

Schwarzenegger in der Hauptrolle ist gewiss kein feinsinniger Schauspielkünstler, ist hier aber optimal besetzt. Obendrein wird er von zwei ausdrucksstarken Partnerinnen flankiert, die einen spannenden Kontrast zu seiner stoischen Spielweise liefern. Stone zeigt, wie vielseitig sie ist, indem sie in ihrem Part blitzschnell von der netten Gattin zur abgebrühten Killerin wird. Und auch Ticotin überzeugt als Aufstandskämpferin. Sämtliche Figuren sind überspitzt gezeichnet und bewegen sich durch betont groteske Kulissen – und doch hat das alles erstaunlich viel Seele, Witz und Hintersinn.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/total-recall-die-totale-erinnerung