Vivienne Westwood

Porträt einer ungezähmten Persönlichkeit

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dass Mode ein soziokulturelles Phänomen darstellt, das sich in enger Beziehung zu den Haupt- und Nebenströmungen seiner jeweiligen historischen Ära positioniert, zeigt sich bei der britischen Modedesignerin Vivienne Westwood deutlicher als gewöhnlich innerhalb dieser Branche. Obwohl sie auf ihrem Terrain längst zu den etablierten Stars der englischen und auch internationalen Szene gehört, zählt die engagierte Engländerin mit ihrer ambivalenten Obsession für die Queen mit ihren sorgfältig inszenierten, Aufsehen erregenden Kollektionen und Installationen noch immer zu den widerborstigen Ausnahmeerscheinungen der Modewelten. Die Dokumentation Vivienne Westwood von Gillian Greenwood aus dem Jahre 1990 beschäftigt sich im Rahmen von Interviews zuvorderst mit der Designerin selbst sowie ihrem einstigen Lebensgefährten, dem kürzlich verstorbenen Künstler Malcolm McLaren, mit der Geschichte dieser außergewöhnlichen Frauenpersönlichkeit und ihren exzentrischen Kreationen.
Ursprünglich zur Lehrerin ausgebildet, früh verheiratet und als junge Mutter nimmt das bürgerliche Leben der Vivienne Westwood eine drastische Wendung, als sie aus ihrem geordneten Alltag ausbricht und mit dem avantgardistischen Künstler und Manager Malcolm McLaren zusammenlebt. Die talentierte Näherin, die bereits früh ihre eigene Garderobe schneidert, wird zur provokanten Designerin des Punk-Stils und entwirft unter anderem das Outfit der Sex Pistols. Die Rebellion sowie auch Sex und Erotik als Element der Mode werden zu ihrem Aushängeschild gegen das Establishment, denn Vivienne Westwood misstraut von Anfang an jeglicher Ausprägung von Orthodoxie – eine Haltung, die sich vor allem in ihren damals skandalösen Gummi- und Latexkreationen als unverzichtbare Accessoires der SM-Szene widerspiegelte.

Nach der Trennung von Malcolm McLaren in den 1980er Jahren avancierte Vivienne Westwood zunehmend zu einer weltweit angesehenen und erfolgreichen Stardesignerin mit wandelnden stilistischen Akzenten von hoher Extravaganz, doch die Radikalität ihrer ursprünglichen Haltung hat sie keineswegs eingebüßt, was ihre waghalsige Mode sowie ihre aufwändigen Inszenierungen deutlich zum Ausdruck bringen. Es sind die wunderschönen, farbprächtigen Bilder ihrer mitunter als Gemälde gestalteten Mode, die innerhalb dieser Dokumentation faszinieren, die immer wieder auch den Zusammenhang von Mode, Musik und Kultur betont. Vivienne Westwood zeichnet ein formal sehr ansprechendes, lebendiges Porträt einer kreativen Persönlichkeit, die immer wieder und auch heute noch zur ungezähmten Avantgarde der Modewelten gehört.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/vivienne-westwood