Licht im Winter (1963)

Glaube, Liebe, Hoffnung

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Als Mittelstück seiner von Ingmar Bergman selbst so bezeichneten Kammerspiel-Trilogie zwischen Wie in einem Spiegel / Såsom i en spegel (1961) und Das Schweigen / Tystnaden (1963) angesiedelt stellt Licht im Winter von 1962 ein puristisch inszeniertes Drama zu existentiellen Glaubensfragen dar. Die christlichen Grundtugenden Glaube, Liebe und Hoffnung verhallen hier pessimistisch in den leeren ländlichen Kirchen und den Zweifeln eines Pastors, der gleichermaßen mit Gott wie mit seinem Schicksal hadert.

Es sind nur wenige Gläubige, die sich zum Gottesdienst der kleinen Gemeinde Mittsund an diesem Sonntag im Winter eingefunden haben. Pastor Tomas Ericsson (Gunnar Björnstrand) zelebriert die Messe mit einer kühlen, beinahe teilnahmslos wirkenden Routine, in der sich bereits seine deutliche Distanz zum Glauben abzeichnet. Nach dem Tod seiner Frau vor ein paar Jahren und der Trennung von seiner zeitweiligen Geliebten, der Lehrerin Märta Lundberg (Ingrid Thulin), hat sich Ericsson in eine starre Einsamkeit zurückgezogen, und seine Aufgaben als Geistlicher erledigt er mit gefühlskalter Gewohnheit.

Nach dem Gottesdienst sucht ihn der Fischer Jonas Persson (Max von Sydow) mit seiner Frau Karin (Gunnel Lindblom) auf, die ihn bittet, mit ihrem seit einer Nachricht über die wachsende atomare Bedrohung in Lethargie versunkenen Mann ein Gespräch zu führen. Als Seelsorger herausgefordert verabredet sich der Pastor trotz seiner Erkältung und der zermürbenden Annäherungen von Seiten Märtas, die ihm einen ausführlichen Brief zugesteckt hat, für später mit dem Fischer, der sich offensichtlich mit Suizidabsichten trägt. Doch während des Gesprächs der beiden Männer ist es mit einem Mal Ericsson, der dem still verzweifelten Fischer sein Leid klagt ...

Seinen Glauben hat er angesichts der Schrecken von Krieg und Tod verloren, für die Liebe ist er nicht mehr zugänglich und Hoffnung vermag er auch nicht mehr zu spenden: Auch wenn er im Grunde persönlich wie professionell absolut am Ende ist, hält der nicht selten selbstmitleidig wirkende Pastor Ericsson seine Funktion eisern aufrecht. Mit großer Ausführlichkeit widmen sich Regisseur Ingmar Bergman und Kameramann Sven Nykvist der Darstellung von sakraler Zelebration, der trotz anfänglicher Kälte am Ende der Hauch eines Trostes anhaftet. Bei aller düsteren Resignation, die Licht im Winter beherrscht, dessen Originaltitel Nattvardsgästerna so viel wie "Abendmahlsgäste" bedeutet, kann vor allem der schlichte, doch eindringliche Schluss als Hinwendung zu den mystischen Momenten des Christentums gedeutet werden – auch und möglicherweise gerade dann, wenn die gängigen theologischen Diskurse hinsichtlich schwelender Glaubensfragen versagen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/licht-im-winter