Die Hand Gottes – Emir Kusturica trifft Diego Maradona (2008)

Maradona sehen und sterben

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Wie bereits der Titel vermittelt, handelt es sich bei dieser Dokumentation nicht schlichtweg um ein Porträt des spektakulären wie skandalträchtigen Fußballstars Diego Armando Maradona, sondern gleichzeitig um die gewaltige Affinität des Filmemachers Emir Kusturica für den amtierenden Trainer der argentinischen Fußballnationalmannschaft. Diese Bewunderung beschränkt sich keineswegs auf die sportlichen Talente Maradonas, sondern umfasst auch dessen ungefällige Persönlichkeit und Lebensgeschichte sowie nicht zuletzt seine Haltungen auf politischem Territorium. Maradona by Kusturica ist das Resultat einer Reihe von Begegnungen und Annäherungen zwischen diesen beiden ungewöhnlichen Männern, die – so stellt es sich dar – eine gewisse Wesensverwandtschaft verbindet, was sich auch im durchaus pathetischen Untertitel des Films ausdrückt: "Die Hand Gottes – Emir Kusturica trifft Diego Maradona".

Da steht dieser unwegsame Regisseur mit seiner Gitarre in Buenos Aires auf der Bühne und wird dem jubelnden Publikum als "Diego Maradona des Kinos" angekündigt: Mit dieser Szene eines kleinen Konzertes eröffnet ein ganz besonderer Dokumentarfilm, der zwischen den Widersprüchen einer entmythologisierenden Heldenverehrung oszilliert. Dem eigenwilligen Filmemacher und dem exzentrischen Ausnahmefußballer gelingt innerhalb dieser höchst unterhaltsamen Dokumentation eine mitunter vor Eitelkeiten nur so strotzende Selbstinszenierung, die sich durch tränenselige Bekenntnisse ebenso auszeichnet wie durch einen schlitzohrigen Humor, nicht frei von einer guten Portion Selbstironie. Vor allem von Seiten Emir Kusturicas, für den die legendäre Fußball-Ikone auch eine Figur im Universum eines seiner herrlich schrägen Filme hätte sein können, wie entsprechend eingeblendete Sequenzen beispielsweise aus Schwarze Katze, weißer Kater / Crna mačka, beli mačor illustrieren, die makabrerweise anlässlich der Schilderung eines Nahtoderlebnisses Maradonas gezeigt werden. Und als Diego seinen Freund Emir in Belgrad trifft, besucht er dort auch die kranke Mutter des Regisseurs, wie dieser erzählt, die am Tag darauf verstirbt – Maradona sehen und sterben.

Gesungen wird kräftig, auch vom Fußballer persönklich, und zwar ein lobpreisendes Lied auf sich selbst, in das die versammelte Familie mit begeisterten Diego-Rufen einstimmt. Auch der politisch engagierte Weltmusiker Manu Chao bringt Maradona auf der Straße ein Ständchen, das diesen offensichtlich kräftig rührt, auch wenn der Text gewisse Spitzen nicht entbehrt. In Argentinien feiert die als "Iglesia Maradoniana" proklamierte Fangemeinde, die sich mit einer Miniatur-Kapelle inklusive Fußball im Glockenturm präsentiert, ihren "Gott", der all diesen kauzigen Ehrbezeugungen mit selbstverliebter Selbstverständlichkeit begegnet.

2008 jenseits des offiziellen Wettbewerbs bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt erscheint Maradona by Kusturica, der kaum als kommerziell erfolgreich bezeichnet werden kann, nun auf DVD. Für den klassischen Maradona-Fan befindet sich diese nicht selten geradezu größenwahnsinnig anmutende Dokumentation der leidenschaftlichen wie befremdlichen Töne und Bilder sicherlich jenseits der Erwartungen, auch wenn das berühmte "Tor des Jahrhunderts" und andere bedeutende Fußballereignisse gezeigt werden – und mitunter durch animierte Figuren genauso karikiert. Die vorherrschende Atmosphäre der halbernsten (Selbst-) Beweihräucherung lässt auch die selbstkritischen Aussagen Maradonas vor allem in Bezug auf seine kokainlastige Zeit merkwürdig inszeniert erscheinen, auch wenn der medienerprobte Argentinier augenscheinlich mit schonungsloser Offenheit spricht. Doch nicht zuletzt auf Grund ihrer zahlreichen, schillernden Ambivalenzen bereitet diese unsägliche, kuriose Dokumentation ein gewaltiges Vergnügen, das von der ironisierenden Musik Stribor Kusturicas, die nur allzu sehr an die Filme seines Vaters erinnert, lebhaft flankiert wird.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/maradona-by-kusturica