Good Bye, Lenin! (2003)

Eine schelmische Reflexion auf deutsch-deutsche Realitäten

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Mit dem Themenkomplex der deutsch-deutschen Vergangenheit und ihrer mehr oder weniger geglückten Bewältigung vor allem rund um den Mauerfall und haben sich einige fiktive Stoffe auf filmischem Territorium beschäftigt. Während deutsche Dramen wie Das Versprechen (1994) von Margarethe von Trotta, Die Unberührbare (1999) von Oskar Roehler und Die Stille nach dem Schuss (1999) von Volker Schlöndorff sich auf sehr ernsthafte Weise mit der Befindlichkeit von Menschen im Wandel der Geschichte auseinander setzen, schlägt Good Bye, Lenin! von Wolfgang Becker in erster Linie heiter-ironische Töne an. Seinerzeit der erfolgreichste deutsche Film des Jahres hat sich diese pfiffige Komödie seit ihrer Premiere bei der Berlinale 2003 ein Millionenpublikum und einen internationalen Preisregen erspielt, wie den Blauen Engel für den Besten europäischen Film der Internationalen Filmfestspiele Berlin sowie einen Goya und einen César mit derselben Belobigung.

Als sich der Arzt Denis Kerner (Florian Lukas) Ende der 1970er Jahre in den Westen absetzt, bleibt seine Frau Christiane (Katrin Saß) mit den Kindern Ariane (Maria Simon) und Alexander (Daniel Brühl) allein in der DDR zurück. Ist diese neue Situation zunächst für die in Depressionen verfallende, nunmehr allein erziehende Mutter gar nicht zu bewältigen, rafft sich Christiane nach einem Nervenzusammenbruch schließlich doch gezwungenermaßen wieder auf. Entgegen ihrer ursprünglichen Haltung kultiviert sie von nun an mit grimmiger Entschlossenheit eine regimegetreue Lebensführung in ihrer Familie und erhebt den real existierenden Sozialismus zur herrschenden Maxime ihres Daseins.

Die Zeit vergeht, der kleine Alexander schwärmt für die Raumfahrt und insbesondere für den Kosmonauten Sigmund Jähn, und die Kinder wachsen mit ihrer iedealistisch engagierten Mutter in dem Bewusstsein auf, dass ihr Vater die Familie wegen einer anderen Frau im Westen verlassen und sich nie wieder bei ihnen gemeldet habe. In den Wirren des politischen Umbruchjahrs 1989 erleidet Christiane während einer eskalierenden Demonstration einen Herzinfarkt, wird ohnmächtig und fällt in ein Koma. Ariane und Alexander erleben den Mauerfall und die Turbulenzen der anberaumten Wiedervereinigung ohne ihre Mutter, und als Christiane im Sommer 1990 unvermittelt wieder erwacht, arbeitet ihre Tochter bei Burger King und ihr Sohn, der sich in die russische Krankenschwester Lara (Chulpan Khamatova) verliebt hat, ist Vertreter für Satellitenanlagen.

Der sensible Alexander, der ganz besonders an Christiane hängt, ist entschlossen, aus Sorge um ihre Gesundheit der vermeintlich überzeugten Sozialistin den Schock der kapitalistischen Revolution unbedingt zu ersparen. In dieser Mission bemüht er sich mit gewaltigem Ideenreichtum und ausgefallenen Kniffen, den Radius der Realitätswahrnehmungen seiner noch stark eingeschränkten Mutter von den rasanten Veränderungen abzuschirmen, bis hin zu eigens für sie inszenierte Nachrichtensendungen, die er mit einigem Aufwand selbst filmt. Doch ewig wird sich diese Maskerade der Wirklichkeit nicht aufrechterhalten lassen, das ist Alexander schmerzlich bewusst, und während eines Familienausflugs zur idyllischen Datscha stellt sich heraus, dass auch Christiane ihren Kindern eine frisierte Version der tatsächlichen Verhältnisse präsentiert hat, vor allem was ihren Vater betrifft ...

Good Bye, Lenin! stellt ein modernes humanistisches Schelmenstück mit ebenso witzigen wie berührenden Bildern und liebevoll installierten kleinen und großartigen Einfällen und Referenzen mit wachem sozialpolitischen und historischen Bewusstsein plus einer moderaten Dosis an Tragik dar. Dass diese bei aller inhaltlichen Brisanz leichtgängige Wohlfühl-Komödie mit ihrer rasanten Dynamik ein derart umfangreiches wie begeistertes Publikum erreicht hat, ist zweifellos nicht zuletzt das Verdienst der überzeugend auftretenden Darsteller, die sich mächtig ins Zeug legen, um diese abgefahrene Geschichte eines vorgespielten Stillstands in vergnügliche Rotationen zu versetzen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/good-bye-lenin